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Bevor der Morgen graut

Bevor der Morgen graut

Titel: Bevor der Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingolfsson
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Studienbewerbungen kümmern musste. Ich hatte einige Hochschulen angeschrieben und wartete auf die Antworten. Wir haben unsin den letzten Wochen, bevor ich nach New York ging, überhaupt nicht mehr gesehen. Dieses Kapitel in meinem Leben war abgeschlossen, und ich brauchte sie jetzt nicht mehr. Trotzdem hatte ich so etwas wie Schuldgefühle, als Leifur verschwand.«
    »Und Jóhann?«
    »Er kam im letzten Herbst nach New York, aber wir haben uns eigentlich kaum gesehen. Er reagierte natürlich auch etwas seltsam, als ich ihm meine Freundin vorstellte. Ich hatte weder den beiden noch anderen je etwas über meine Neigungen erzählt. Mich zu outen kam für mich damals nicht infrage.«
    Birkir schwieg eine Weile nachdenklich. Dann sagte er: »Ich habe den Eindruck, dass dieser Friðrik Friðriksson sich ein wenig in deine Privatsphäre eingemischt hat, was deine sexuelle Orientierung betrifft.«
    »Der, der ermordet worden ist?«
    »Ja.«
    »Müssen wir wirklich darüber reden?«
    »Er hat dich belästigt, nicht wahr?«
    »Ja, das hat er getan. Was ist damit?«
    »War das nicht unangenehm?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, es stört mich nicht, wenn Leute draußen auf dem Flur stehen und Gebete herunterleiern. Diese Typen können meinetwegen glauben, was sie wollen. Ich brauche ihre Zustimmung nicht, um mein Leben zu leben. Es ist viel schlimmer, wenn die Leute so tun, als hätten sie keine Vorurteile und als seien sie einem wohlgesonnen, um einem dann plötzlich auf hässliche Weise in den Rücken zu fallen.«
    »Was hat Friðrik so gestört?«
    »Meine Freundin Rose war in diesem Sommer zwei Wochen lang zu Besuch bei mir. Ich hab mich draußen vor dem Haus von ihr verabschiedet, bevor sie ins Taxi zum Flughafen stieg. Wir haben uns zum Abschied geküsst, und in diesem Augenblickkam Friðrik mit seinen Kindern aus dem Haus. Er hat ein paar Unverschämtheiten von sich gegeben, aber ich habe es nicht weiter beachtet, bis auf einmal dieser komische Oberhirte dieser Sekte bei mir auf der Matte stand. Es war nicht sonderlich schwierig, ihn loszuwerden, doch dann fing dieses Gemurmel draußen im Treppenhaus an. Zuerst konnte ich mich gar nicht auf meine Arbeit konzentrieren, und das war nervig, weil ich meine Projekte fertig kriegen muss und ziemlich unter Zeitdruck stehe. Aber man gewöhnt sich an so was.«
    Birkir holte ein Foto von Ólafur Jónsson aus seinem Notizbuch und reichte es Hjördís.
    »Kennst du diesen Mann?«, fragte er.
    »Es kommt mir so vor, als hätte ich das Gesicht schon mal gesehen. Vielleicht auf einer dieser Isländerpartys in New York. Kann das sein?«
    »Vielleicht«, antwortete Birkir. »Und was ist mit diesem Mann, kennst du den?«, fragte er und reichte Hjördís ein Bild von Vilhjálmur Arason.
    »Nein, aber vielleicht kennt meine Großmutter ihn ja.«
    Birkir entging die Ironie in ihrer Stimme nicht.
    »Wer sind diese Männer?«, fragte sie.
    »Das sind die Männer, die in den letzten Tagen ermordet worden sind. Und natürlich der Mann hier aus deinem Haus, Friðrik.«
    »Du glaubst doch wohl nicht etwa, dass ich etwas damit zu tun habe?«, fragte Hjördís und klang erstaunt.
    »Falls die Angriffe auf Leifur und Jóhann in irgendeiner Form mit diesen Morden in Verbindung stehen, könnte es sein. Dann bist du die einzige Person, die mit zwei der Beteiligten zu tun hatte, soweit wir wissen.«
    »Ein Angriff auf Leifur? Meinst du damit, dass er ermordet worden ist?«
    »Ja, er wurde erschossen.«
    »Oh, das habe ich nicht gewusst.« Hjördís verstummte und hielt eine Hand an die Wange. »Mir wurde seinerzeit gesagt, dass er Selbstmord begangen habe«, fügte sie hinzu.
    Birkir fragte: »Kannst du mir sagen, was du am Donnerstag, Freitag und Sonntagmorgen in der Frühe gemacht hast?«
    »Warum nicht am Samstagmorgen?«
    »Da wurde niemand ermordet.«
    »Glaubst du im Ernst, dass ich etwas über diese Morde weiß?«
    »Wir müssen alle befragen, die irgendwie mit diesen Personen zu tun hatten.«
    »Na, schön. Morgens früh, sagst du. Am Dienstag bin ich kurz zu meinen Eltern nach Akureyri geflogen und am Donnerstagmittag zurückgekommen. Am Freitag war ich mit Sicherheit hier in meiner Wohnung und habe geschlafen. Ich arbeite meist bis tief in die Nacht hinein und stehe spät auf. Am Samstagabend habe ich einen draufgemacht und woanders übernachtet. Dort war ich bis Sonntagmittag.«
    »Wer war das?«
    »Das möchte ich nicht sagen. Ich habe eine Frau getroffen und hab die Nacht mit ihr

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