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Bevor der Morgen graut

Bevor der Morgen graut

Titel: Bevor der Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingolfsson
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umgehen.«
    Símon nickte, und Ragnar fuhr fort: »Als ich in die Wohnung kam, stritt sich mein Schwiegervater mit einer Frau, die wütend rausgerauscht ist, als ich eintraf. Mein Schwiegervater sagte, dass er die Frau ganz oberflächlich gekannt habe, die Tochter von irgendeinem Bekannten oder so etwas. Es kommt mir fast so vor, als hätte er gesagt, dass sie Hjördís hieß. Sie wollte die Wohnung mieten, aber für ein Spottgeld, und sie rastete aus, als mein Schwiegervater nicht damit einverstanden war. Deswegen hatten sie sich gestritten. Ich überlege, ob das die Frau auf dem Bild ist, und ich glaube fast, ja.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Ja, so gut wie. Glaubst du, dass sie meinen Schwiegervater erschossen hat?«
    »Du hast den Schützen gesehen, was glaubst du?«
    »Tja, ob es ein Mann oder eine Frau war, konnte ich natürlich nicht sehen. Aber wo du das sagst, erinnere ich mich, dass diese Person etwas breit um die Hüften war.«
    »Hast du das Gesicht gesehen?«
    »Nein, dazu war die Entfernung zu groß.«
    »Aber das Haar?«
    Ragnar blickte wieder auf das Bild. »Nicht auszuschließen, dass es so hell und kurzgeschnitten war.«
    »Hat dein Schwiegervater Vilhjálmur noch etwas über diese Frau gesagt?«
    »Er sagte, dass sie … irgendwie verrückt sei.«
    »Wusste er, dass sie lesbisch war?«
    »Ja, das hat er auch gesagt.«

20:30
    H auptkommissar Magnús Magnússon war verheiratet, und seine Ehe war das, was viele als eine gute Partie bezeichneten. Seine Frau Vilhelmína war Anwältin am Obersten Gericht und hatte zusammen mit zwei anderen Rechtsanwälten und einigen Referendaren eine Kanzlei. Sie hatte einige sehr gute Kunden, wobei »gut« bedeutete, dass sie ständig des Rechtsbeistands bedurften und so betucht waren, dass sie hohe Rechnungen termingemäß begleichen konnten.
    Vilhelmína kümmerte sich nicht um den Haushalt. Solange es Leute gab, die solche Arbeiten wie Putzen und Wäschewaschen und dergleichen übernahmen, fand sie es normal, deren Hilfe in Anspruch zu nehmen, statt sich selbst damit herumzuschlagen.Magnús organisierte das. Er schrieb die Anweisungen, was zu erledigen war, und sorgte dafür, dass der Haushalt funktionierte.
    Die Mittagspause benutzte Vilhelmína dazu, mit Kunden essen zu gehen. Abends nahm sie irgendetwas Leichtes und etwas Obst vor dem Fernseher zu sich. Die Haushaltshilfe erledigte die Einkäufe entsprechend einer Liste, die am Kühlschrank hing. Magnús aß mittags in der Kantine des Polizeipräsidiums, und abends genügte ihm isländischer Quark mit Roggenbrot, manchmal geräuchertes Lammfleisch dazu, und eingelegte Heringe. Er liebte Quark. Die Eheleute aßen nie gemeinsam, außer wenn Vilhelmína das speziell in ihrem Kalender vorgemerkt hatte, und bei solchen Gelegenheiten kochte Magnús. Sie schliefen in getrennten Schlafzimmern und verbrachten nur nach vorausgegangener sorgfältiger Planung eine Nacht miteinander. In letzter Zeit nahm Magnús aber Viagra, wenn ein solches Beisammensein bevorstand, um ganz sicher zu sein, dass nichts schief ging.
    Dieses Arrangement zu Hause wurde von beiden Eheleuten akzeptiert, und so bestand kaum Gefahr, dass sie einander überdrüssig wurden. Dazu verbrachten sie ganz einfach viel zu wenig Zeit miteinander. Jeder lebte sein Leben und konnte es nach seinen Wünschen gestalten. Die einzige Bedingung war eheliche Treue, und es wäre keinem von beiden eingefallen, in dieser Hinsicht etwas zu riskieren. Ein Kind war aus dieser Ehe hervorgegangen, ein Sohn, der mit seiner Frau in Washington D. C. lebte und beim Internationalen Devisenfonds arbeitete. Gemäß einem feststehenden Plan kamen die Familien zweimal im Jahr zusammen.
    Vilhelmína saß mit ihrem Laptop vor dem Fernseher, als Magnús nach Hause kam. Gleichzeitig telefonierte sie. Er holte sich eine Portion Quark aus dem Kühlschrank und warf einen Blick in die Zeitungen auf dem Küchentisch. Die Berichterstattung über die Morde nahm den größten Teil der Schlagzeilenein. Er überflog die Texte und sah, dass es sich nur um die Informationen handelte, die von der Kriminalpolizei auf einer Pressekonferenz herausgegeben worden waren. Eine der Zeitungen hatte sich aber die Mühe gemacht, einen Fotografen nach Litla-Fell zu schicken, nachdem die Polizei das Gelände freigegeben hatte. Das Foto auf dem Hofplatz war offensichtlich aus dem Fenster eines Autos gemacht worden, denn es ragte noch der Seitenspiegel ins Bild. Im Vordergrund waren zwei zähnefletschende Hunde zu

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