Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
Morgenmantel aus grüner Seide gekleidet, ihr langes rotes Haar trug sie offen. Kristalle funkelten an den schwarzen Samthausschuhen, die zum Vorschein kamen, wenn sich bei jedem Schritt der Morgenmantel ein Stück weit teilte. Ihm war klar, dass sie darunter nur wenig oder gar nichts trug, und unwillkürlich überlegte er, ob sie ihn wohl erwartet hatte.
„Ich fürchte, du erwischst mich in einem Moment, da ich nicht angemessen gekleidet bin“, erklärte sie und lächelte schamlos. „Ich reise morgen in die Catskill Mountains, und heute Abend bleibe ich zu Hause, um in Ruhe zu packen.“ Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange.
Er wich vor ihr zurück und fand, dass sie noch immer nicht schwanger aussah. „Wir hätten auch gewartet, Bartolla“, sagte Sarah, „bis du angezogen bist.“ Ihr Tonfall war ruhig, nicht entsetzt.
„Ach, komm schon! Du weißt so gut wie ich, dass Evan bis vor Kurzem mein Geliebter war. Warum auf Formalitäten beharren, wenn er mich doch viele Male in meinem Morgenmantel gesehen hat?“ Sie musterte ihn aufmerksam. „Hast du dich über etwas aufgeregt, Liebster? Sollen wir etwas trinken?“ Dabei strich sie über seine Wange.
Er griff nach ihrem Handgelenk und hielt es so fest, dass es nicht als angenehme Geste missverstanden werden konnte. „Lizzie wurde entführt, Bartolla.“
„Wer?“, fragte sie verwundert.
Als er sie ruckartig zu sich heranzog, gab Sarah einen Protestlaut von sich. „Spiel nicht mit mir! Lizzie Kennedy wurde entführt. Hast du damit etwas zu tun?“
Erschrocken schnappte Bartolla nach Luft und riss sich von ihm los. „Wie kannst du es wagen? Was ist los mit dir? Ich nehme an, du redest von einem der Bälger, die deiner Näherin gehören. Was fällt dir ein, mir zu unterstellen, ich hätte damit etwas zu tun?“
Betretenes Schweigen machte sich breit. Sarah kam näher, während Evan seine ehemalige Geliebte eindringlich musterte und zu entscheiden versuchte, ob sie wohl etwas von dem Vorfall wusste. „Evan, was redest du da?“, fragte Sarah. „Du kannst doch nicht glauben, dass Bartolla irgendetwas über dieses arme Kind weiß!“
Er starrte Bartolla in die Augen, sie starrte ihn an. Beim Anblick ihres belustigten Ausdrucks wusste er nicht mehr, was er noch denken sollte. Das Kind war ihr egal, Maggie ebenfalls. Bartolla interessierte sich immer nur für sich selbst. „Hast du Lizzie entführen lassen? Weißt du, wo sie ist?“
Bartolla zog eine Augenbraue hoch, dann begann sie zu lachen. „Mein Gott, hast du den Verstand verloren? Du unterstellst mir, ich hätte dieses Kind entführt? Warum sollte ich das machen?“ Wieder folgte ein ausgelassenes Lachen. „Wo sollte ich das Kind denn überhaupt verstecken?“
Verzweifelt versuchte er zu erkennen, was in ihrem Kopf vorging.
„Evan, Bartolla ist nun wirklich keine Kriminelle! Sie würde niemals irgendein Kind entführen“, wandte Sarah ein.
Aber sie war ein geldgieriges Miststück und eine sehr zornige Frau. Und sie hasste Maggie.
Bartolla kam zu ihm und legte die Hand an seine Wange. „Liebster, ich bin sicher zu vielem fähig, doch ich würde niemals einem kleinen Kind etwas antun. Schon gar nicht, wenn es ein Kind ist, das dir etwas bedeutet. Ich liebe dich nach wie vor.“
Er wich zurück. „Ich bete zu Gott, dass du die Wahrheit sagst! Denn wenn du hinter dieser Entführung steckst, wird dir das noch sehr, sehr leidtun.“
„Drohst du mir etwa?“, hielt sie leicht amüsiert dagegen. „Was willst du tun? Mich und unser Kind auf die Straße schicken, wo wir betteln müssen, damit wir nicht verhungern?“
Ihm stockte der Atem. Und dabei war er so davon überzeugt gewesen, dass Bartolla hinter der Tat steckte. „Wenn du damit zu tun hast, wirst du dafür bezahlen, so wahr Gott mir helfe!“
Plötzlich wurde sie ernst, und im nächsten Moment hörte Evan, wie die Türglocke betätigt wurde.
Bragg ließ sein Automobil ausrollen. Soeben waren sie vor dem Channing-Anwesen vorgefahren, das bis auf ein paar Lichter im Erdgeschoss in unheimliche Finsternis getaucht war. An der Straße vor dem Grundstück sorgten nur zwei Gaslaternen für Licht.
Francesca und Bragg machten keine Anstalten auszusteigen, stattdessen sahen sie sich nur an. Die Fahrt hierher hatte zwanzig Minuten gedauert, und sie hatte ihm soeben von ihrer Unterhaltung mit Rose an diesem Nachmittag berichtet.
„Dann kann sich Rose also nicht erinnern, ob sie dem Chief gegenüber dein Porträt erwähnt
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