Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
an.
Francesca lag auf dem Sofa in Harts gemütlichstem Salon, einem verschwenderisch in Rot und Gold gehaltenen Zimmer, in dem die zahlreichen Angehörigen seiner Familie für gewöhnlich zusammenkamen. Etliche Kissen gaben ihr Halt, und nachdem sie gleich nach ihrem Eintreffen einen Scotch bekommen hatte, war der Schmerz deutlich schwächer geworden und ließ sich jetzt nur noch als leichtes Pochen wahrnehmen.
Sie lächelte Rourke an, der die Wunde gesäubert, desinfiziert und verbunden hatte. Wie Bragg schon gesagt hatte, war es nur ein Streifschuss. Ihre eigentliche Aufmerksamkeit galt Hart, der hinter Rourke stand, Sakko und Weste ausgezogen, die Ärmel hochgekrempelt und den Hemdkragen aufgeknöpft. In der Hand hielt er einen Drink – ihrer Meinung nach sein zweiter seit der Ankunft –, den er bislang aber noch nicht angerührt hatte. Er machte eine sehr ernste Miene. Als sie ihn nach dem Erwachen aus ihrer Ohnmacht zum ersten Mal gesehen hatte, war er von Angst und Sorge um ihr Wohl gezeichnet gewesen. Es gab nur eine Schlussfolgerung, die sich daraus ziehen ließ: Er war sehr besorgt um ihre Gesundheit, um ihr Leben.
Er liebte sie nach wie vor.
Francesca lächelte ihm zu.
Er erwiderte ihr Lächeln nicht, sondern sagte zu Rourke: „Gott sei Dank, dass du zu Hause warst!“
Hart hatte sie aus dem Kaufhaus zu seiner Kutsche gebracht, die vor dem Eingang geparkt war, und sie zu sich nach Hause fahren lassen, ohne sie zu fragen, wohin sie wollte. Seine Krawatte hatte er benutzt, um die blutende Wunde zu verbinden. Sie konnte seine Entscheidung gut verstehen, denn wenn Rourke zu Hause war, würde die Schussverletzung viel schneller versorgt werden als in einem Krankenhaus in der Nähe, wo sie vielleicht noch Stunden hätte warten müssen, ehe sie an der Reihe gewesen wäre. Was ihr jedoch besonders gefiel, das war die Tatsache, dass er gar nicht erst in Erwägung gezogen hatte, sie zum Haus ihrer Eltern zu bringen.
Rourke schloss die Arzttasche und stand auf. „Es würde ihr sogar gut gehen, wenn sie von dir persönlich versorgt worden wäre. Aber würde mir jetzt endlich einmal jemand erzählen, was eigentlich passiert ist?“
Bevor sie zum Reden ansetzen konnte, kam ihr Hart zuvor: „Wie üblich ist Francesca wieder einmal losgeeilt, um die Welt im Alleingang zu retten, ohne einen Gedanken an die möglichen Gefahren zu verschwenden.“
Er war wütend auf sie. Francesca verkniff sich ein Lächeln und wackelte mit den Zehen. „Meine Füße tun mir weh“, erklärte sie. „Würdest du bitte?“, schnurrte sie und schenkte Hart einen besonders lieblichen Augenaufschlag.
So grimmig, als würde er eine besonders unliebsame Aufgabe angehen, stellte er den Drink weg, schlug die Kaschmirdecke zur Seite, die über ihren Beinen lag, und zog ihr die Schuhe aus.
Er liebt mich immer noch! dachte sie überglücklich. Ihr fiel auf, dass Rourke sie musterte, woraufhin sie ihn anlächelte.
„Geht's dir schon besser?“
„Das muss am Whiskey liegen.“
„Ja, das muss es wohl sein.“ Er zwinkerte ihr zu.
„Ich weiß gar nicht, was für euch zwei an dem Ganzen so witzig ist“, sagte Hart gereizt. „Ich spaziere in ein Kaufhaus und finde meine verdammte Halbschwester vor, wie sie Francesca einen Revolver auf die Brust setzt, um sie zu töten.“
Prompt wurde Rourke ernst. „Ich dachte, Mary Randall sitzt in einer geschlossenen Anstalt.“
„Sie ist entkommen“, antwortete Hart beißend. „Dank der Hilfe meines Bruders]“
„Halbbruder“ , berichtigte Francesca ihn. „Und wir nehmen nur an, dass Bill ihr bei der Flucht geholfen hat. Wir wissen es aber bislang nicht.“
Harts Miene nahm einen noch wütenderen Zug an.
Wieder sah Rourke Francesca an. Sie kam zu dem Schluss, dass jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt war, um Bills Besuch bei ihr zu Hause zu erwähnen. Das werde ich mir für den Abend aufbewahren, überlegte sie und musste wieder lächeln.
„Du bist außergewöhnlich gut gelaunt, wenn man bedenkt, dass ich auf dich geschossen habe!“, merkte Hart aufgebracht an.
„Du hast auf sie geschossen?“, fragte Rourke verdutzt.
„Es sind zwei Schüsse gefallen, also kann meine Verletzung auch von Braggs Kugel stammen“, wandte sie sofort ein.
„Nein, Francesca!“, widersprach Hart ihr energisch. „In diesem Fall lässt dich einmal dein Intellekt im Stich. Bragg stand rechts von dir, und zwar fast genau im rechten Winkel. Ich stand hinter dir. Als das Chaos ausbrach, bin ich ein
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