Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
er gekommen war. Dann fiel ihr Blick auf die Ledertasche. Die konnte sie unmöglich hier zurücklassen.
„Ich schnapp ihn mir“, sagte Joel und rannte los, doch der Mann auf dem Fahrrad war auf der westlichen Seite der Brücke bereits viel zu weit weg. Der Junge hatte keine Chance mehr, den Unbekannten einzuholen.
„Joel!“, rief sie. „Komm zurück!“
Er wurde langsamer, blieb stehen und fuchtelte mit der geballten Faust hinter dem Mann her.
Francesca hätte am liebsten das Gleiche gemacht wie Joel, aber ihr war noch mehr nach Heulen zumute. „Verdammt noch mal!“, murmelte sie.
Sie spürte, wie sich Raoul näherte, und drehte sich zu ihm um. „Können Sie die Tasche an sich nehmen?“
Jedoch nicht der Kutscher stand hinter ihr. Sondern Hart.
Seine finstere Miene wirkte versteinert. „Hast du ernsthaft geglaubt, ich würde dich allein zu einer Verabredung mit einem Erpresser gehen lassen?“
Sie erwiderte etwas Unverständliches.
„Bist du verletzt?“, fragte er und legte eine Hand um ihr Kinn.
„Nein“, antwortete sie zitternd.
„Zeig mir die Nachricht.“
„Du bist uns gefolgt?“, gab sie ungläubig zurück, holte aber das Blatt aus der Handtasche und gab es ihm.
„Ich bin dir in einer Droschke gefolgt, Francesca. Wärst du nicht so in Gedanken gewesen, hättest du das ganz sicher bemerkt.“
Ihr kam die Droschke ins Gedächtnis, die an ihrer Kutsche vorbeigefahren war, als sie an der Auffahrt zur Brücke ausgestiegen war. „Das warst du?“, flüsterte sie.
„Ja, das war ich.“ Er betrachtete die Skizze, woraufhin sich sein Gesichtsausdruck noch weiter verfinsterte. „Er spielt mit dir, Francesca.“
„Was will er?“, rief sie ratlos. „Will er mich erst quälen, bevor er mich vernichtet?“
„Danach sieht es aus.“ Er nahm ihren Arm, gab Joel ein Zeichen und brachte sie zur Kutsche. Als sie alle darin Platz genommen hatten, sah er Francesca an. „Darf ich davon ausgehen, dass es eine Lösegeldforderung gibt?“
Sie zögerte, da sie spürte, dass er wütend auf sie war. Und dabei wusste er noch gar nichts von ihrem Besuch auf Blackwell Island. „Ja, das darfst du“, murmelte sie, dann fragte sie: „Wieso bist du mir heute gefolgt, Calder?“
„Ich konnte dir heute Morgen anmerken, dass du Rick nicht davon erzählen würdest. Unter keinen Umständen konnte ich zulassen, dass du dich allein mit einem gefährlichen Fremden triffst.“
Raoul war mitgekommen, um sie zu beschützen! Aber sie fand, dass sie das jetzt besser nicht anmerken sollte. „Ich bin froh, dass du genug für mich empfindest, um mir zu folgen und mich zu beschützen. Doch wie du siehst, war es völlig vergeblich.“ Mit zitternden Fingern holte sie das Schreiben aus der Handtasche. „Ich bin so schrecklich enttäuscht.“
„Du wärst beinahe von einem Radfahrer überfahren worden“, hielt er energisch dagegen und musterte den Umschlag. „Wir werden das dem Knaben im Hauptquartier geben, der so genial Verbrechen analysieren kann.“
„Heinreich meinst du“, erwiderte sie.
„Was verschweigst du mir?“ Er gab ihr den Brief zurück.
Sie wünschte, sie müsste ihm nicht sagen, dass ihr Hauptverdächtiger sein Halbbruder war. „Rick und ich haben heute wie geplant Henrietta Randall besucht“, begann sie. „Bill Randall war am Samstag in der Stadt. Um zehn Uhr hat er seine Mutter auf Blackwell Island besucht. Es ist ihr raus gerutscht, und die Besucherlisten haben das bestätigt.“
Schließlich sagte Hart: „Dann steckt also mein verdammter Bruder hinter dem Diebstahl!“
„Möglicherweise. Wir haben die Besucherlisten für April angefordert, allerdings müssen die erst aus dem Archiv geholt werden. Die Universität ist den Sommer über geschlossen, aber wenn seine Mitbewohner nicht auf Reisen sind, werden wir sie finden, um sie noch einmal zu befragen.“
Hart saß ihr gegenüber auf der rückwärtigen Bank der Kutsche. Francesca beugte sich vor und berührte sein Knie. „Es besteht die Chance, dass sein Alibi der Wahrheit entspricht und dass sein Aufenthalt in der Stadt am letzten Samstag ein purer Zufall ist.“
„Aber daran glaubst du nicht, richtig?“
Francesca schüttelte den Kopf, dann sahen sie sich lange an, ehe Hart mit leiser Stimme fortfuhr: „Wenn Bill das Porträt gestohlen hat … wenn das alles auf sein Konto geht und er glaubt, uns so zugrunde richten zu können … dann werde ich ihn umbringen!“
Bei dieser Drohung zuckte sie zusammen und schaute zu Joel,
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