Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
der neben ihr saß und gebannt jedem Wort lauschte. „Das ist nicht dein Ernst“, erwiderte sie und sagte zu Joel: „Das meint er nur im übertragenen Sinn, Joel, nicht wörtlich! Er will ihn nicht wirklich umbringen.“
„Er meint das so“, gab Joel zurück. „Aber das ist schon okay. Ich schweige wie ein Grab.“
Francesca stöhnte, während Hart seinem Kutscher zurief: „Siebenundfünfzigste Ecke Lexington, Raoul. Die alte Randall-Residenz!“
„Komm jetzt bloß nicht auf die Idee, dir die Schuld an irgendetwas zu geben“, warnte sie ihn, als sie seinen finsteren Blick bemerkte.
„Und wem soll ich die Schuld geben? Sarah, weil sie das Porträt gemalt hat? Dir, weil du damit einverstanden warst? Mrs Channing, weil sie nicht alle Türen abgeschlossen hat?“
„Ja, ja und nochmals ja!“
Auf einmal beugte er sich vor und griff nach ihrer Hand. Dabei stießen sie mit den Knien aneinander. „Ich hasse es, wenn du dich in Gefahr bringst! Und ich hasse es noch mehr, wenn ich dich in Gefahr bringe!“ Seine Augen loderten aufgebracht, als er sie wieder losließ.
Wie sollte sie nur diese Mauer der Überzeugung überwinden, dass er an allem die Schuld trug, was sich zugetragen hatte? Vielleicht wäre es anders und damit leichter gewesen, wenn er nicht schon bei so vielen vorangegangenen Gelegenheiten zu diesem Schluss gekommen wäre. Ihr fiel nichts Besseres ein, als zu sagen: „Wir kommen dem Dieb näher.“
„Nein. Er kommt uns näher.“
Francesca schaute betrübt aus dem Fenster. Sie kam zu der Erkenntnis, dass dieser Tag nicht das erhoffte gute Ende nehmen würde. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie Hart. Seine Ausstrahlung nahm die ganze große Kutsche für sich in Beschlag und ließ sie klein und beengt erscheinen. Heute Abend würde er sie wieder wegschicken. Es war so, als ob der Dieb dauerhaft einen Keil zwischen sie zu treiben versuchte und damit auch noch Erfolg hatte.
„Nachdem wir uns im Haus der Randalls umgesehen haben, sollten wir mit Daniel Moore reden. Joel hat herausfinden können, dass er sich am Samstagmorgen mit einem anderen Mann in der Galerie aufgehalten hat. Außerdem hat jemand die Tür abgeschlossen, nachdem ich am Samstagnachmittag befreit worden war – es sei denn, die Scheibe wurde nur zum Schein eingeschlagen.“
„Das wird ja immer interessanter!“
„Moore hat etwas damit zu tun, dass ich in der Galerie eingeschlossen wurde.“
„Das ist offensichtlich“, stimmte er ihr zu. „Aber er ist nicht unser Dieb und auch nicht unser Erpresser. Wenn er wüsste, wo das Porträt ist, hätten wir es längst zurückerhalten. Er braucht dringend Geld, auch wenn er erst vor Kurzem Geld auf sein Sparbuch bei der East River Savings Bank eingezahlt hat.“
Francesca wurde hellhörig und setzte sich gerader hin.
„Ich habe seine finanziellen Verhältnisse durchleuchten lassen. Er ist mit der Miete für die Galerie und für die Wohnung im Rückstand. Aber er hat letzten Donnerstag tausend Dollar eingezahlt.“
„Schmiergeld von unserem Dieb, damit er seine Galerie benutzen darf?“
„Das vermute ich“, bestätigte Hart. Sie befanden sich mittlerweile auf der Lexington, auf der immer dichter Verkehr herrschte. Große Pferdefuhrwerke, die mit Waren und industriellen Rohstoffen beladen waren, wetteiferten mit den elektrischen Straßenbahnen und den überwiegend leeren Droschken um die Vorfahrt auf der breiten Straße. Harts Kutsche war das einzige private Fahrzeug, das dort unterwegs war.
Moore wusste, wer der Unbekannte war, hinter dem sie herjagten. Es wurde Zeit, ihn zum Hauptquartier zu bringen und ihn zu verhören, bis er sein Schweigen brach.
„Da wären wir“, erklärte Hart plötzlich. Als sie alle ausgestiegen waren, packte er Joel an der Schulter. „Übrigens, ich bin sehr stolz auf dich, wie du versucht hast, Francesca vor dem Radfahrer zu beschützen.“
Der Junge strahlte ihn an. „Ich hab gesehen, wie er plötzlich die Richtung geändert hat, und da wusste ich, dass er sie überfahren wollte.“
„Du hast einen guten Instinkt, Joel! Und was noch wichtiger ist, du bist ausgesprochen tapfer. Francesca kann froh sein, dass sie dich als Assistenten hat.“
Vor lauter Lob bekam Joel eine roten Kopf, und Francesca musste sich ein Lächeln verkneifen, als sie sagte: „Wir suchen nach Hinweisen, die etwas mit der Lösegeldforderung zu tun haben, mit dem Diebstahl meines Porträts und mit der Tatsache, dass sich Bill Randall in der Stadt aufgehalten hat.
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