Bevor du stirbst: Roman (German Edition)
studiere, habe ich doch gesagt. BWL .«
»Immer noch? Sie waren doch im letzten Semester. Und das ist mehrere Jahre her.«
»Ja, es war alles zu viel. Ich bin einfach noch nicht fertig geworden.«
»Na gut, Sie studieren also weiterhin dasselbe Fach? Und Sie wohnen noch in derselben Wohnung? Und die teilen Sie mit den … Sachen Ihres … Exfreundes?«
Plötzlich sieht sie trotzig aus. Sie beißt die Zähne zusammen, und ich höre ein leises Geräusch, als die Kleenexschachtel unter ihrem Griff reißt.
»Wie gesagt, er wird zurückkommen. Sie können doch nicht wissen, wie das alles enden wird. Alle behaupten, sie wollten nur mein Bestes. Aber die können das auch nicht wissen. Oder was?«
Ich blicke in ihre rotgeränderten Augen und nicke langsam.
»Darüber werden wir sprechen, wenn wir uns treffen, Caroline. Wie Sie mit dieser Situation umgehen sollen. Verstehen Sie?«
Sie nickt und stellt die zerrissene Schachtel vorsichtig wieder hin.
»Entschuldigung, das war keine Absicht.«
Sven öffnet die Tür und lacht strahlend, als er mich und Markus sieht. Dann bückt er sich, geht in die Hocke und begrüßt Erik. Sanft und behutsam grüßt er, als seien ihm Eriks Schüchternheit und Skepsis bekannt. Und das Wunder geschieht. Erik lugt zwischen seinen Fingern hindurch und erwidert das Lächeln.
Wir betreten die Wohnung. Sven lebt jetzt zusammen mit Sara, nur wenige Straßen von unserem Büro entfernt. Ich bin zum ersten Mal hier. Er hat alle aus der Praxis eingeladen. In Begleitung, falls gewünscht. Zu einem Sonntagsbrunch. Ursache unbekannt. Sven hat nur gesagt, er finde es an der Zeit, dass alle Sara richtig kennenlernen.
Er führt uns ins Wohnzimmer. Ein viereckiger Raum im Bauhausstil, mit großen Fenstern und offenem Kamin. Es wirkt sehr gemütlich, die Möbel individuell ausgewählt. An den Wänden hängt eine Mischung aus abstrakter Kunst, Fotografien und Plakaten. Eine Frau mit Afrofrisur, die für internationalen Feminismus kämpft, gemischt mit neuen Bildern von Sven und Sara: verliebt, engumschlungen vor einem umwerfenden Wasserfall. Die Reise nach Thailand zu Weihnachten, vermute ich. Sara kommt mit einem beladenen Tablett aus der Küche, ihre Arme sind braungebrannt und muskulös, ihr Lächeln weiß, als sie vorsichtig ihre Last absetzt und auf uns zukommt, um uns zu begrüßen. Wir wechseln ein paar Höflichkeitsphrasen, und Sara und Markus werden einander vorgestellt. Ich überlege mir, dass für Außenstehende sicher sie wie ein Paar wirken. Sie sind nur wenige Jahre auseinander. Wieder klingelt es an der Tür, und Sven geht öffnen. Ich höre Ainas Lachen und dann Mariannes heisere Stimme. Als alle Begrüßungen erledigt sind, sitzen wir vor dem überwältigenden Büfett auf dem Sofa. Erik hat sich auf Ainas Knie verkrochen. Er ist hin und weg von seiner Patentante, und diese Begeisterung beruht auf Gegenseitigkeit. Aina ist ungeheuer gern mit Erik zusammen. Ich überlege mir, dass sie sicher eine wunderbare Mutter wäre.
Aina ist wieder Single, nach einer misslungenen Affäre mit einem egozentrischen Schauspieler. Ab und zu frage ich mich, ob sie sich immer solche hoffnungslosen Typen aussucht, um sich sicher fühlen zu können. Sie weiß schon vorher, dass die Beziehung nicht gutgehen wird, und vielleicht ist das das Verlockende. Aber die Tatsache, dass sie Single ist, müsste sie ja nicht davon abhalten, sich ein Kind zuzulegen, wenn sie eins wollte. Wenn Aina etwas will, dann schafft sie es auch, und ein Detail wie das Fehlen eines möglichen Vaters würde sie nicht aufhalten. Aber ich vermute, dass sie der Ansicht ist, im Leben gehe es nicht nur darum, sich fortzupflanzen.
Sara füllt die Gläser und nimmt sich ein Mineralwasser. Sven erwidert meinen Blick und hebt sein Glas, auch das ist mit Kribbelwasser gefüllt. Wir lächeln einander verständnisinnig zu. Für uns gibt es keinen Alkohol. Nach seiner Trennung von Birgitta hat Sven eine ähnliche Reise zurückgelegt wie ich. Im vergangenen Jahr ist sein Interesse an seiner Gesundheit dann immer stärker gewachsen. Er joggt, geht ins Fitnessstudio und ernährt sich gesund. Er hat etliche Kilo abgenommen und gibt oft gute Ratschläge für Ernährung und Sport, über die Aina und ich heimlich kichern.
Aber er sieht wirklich gut aus. Die graumelierten Haare sind nach hinten gekämmt und ein wenig zu lang, und die Sonnenbräune des Winterurlaubs ist noch vorhanden. Er sieht zufrieden aus. Harmonisch. Ich ertappe mich bei einem
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