Bevor du stirbst: Roman (German Edition)
zieht seine zurück. Es wird still. Nur das Knistern des Kamins ist zu hören.
»Was ist nur los mit dir?« Markus’ Stimme ist kalt. Er presst die Zähne aufeinander.
»Du trägst seine alten Kleider, du wühlst nachts in seinen Papieren. Du läuft dieselbe Strecke wie er. Meinst du, ich wüsste nicht, dass du in jeder freien Minute diesem Mord nachgehst? Und dass du dich mit seiner Mutter getroffen hast. Das ist doch einfach krank!«
»Wer hat gesagt, dass ich mich mit Maj getroffen habe?«
»Aina hat angerufen. Sie macht sich Sorgen um dich. Wir machen uns Sorgen um dich. Du scheinst doch total …«
»Seit wann verschwörst du dich mit Aina gegen mich?«
Markus hört mich nicht. Er läuft hin und her und hat die Hände vor die Stirn geschlagen. Dann sehe ich Erik in der Tür.
»Papa krank?«
»Nein, Liebling.« Markus sinkt neben ihm in die Knie, hebt ihn sich mit geübtem Griff auf die Hüfte. »Papa ist nicht krank. Und jetzt bringen wir dich ins Bett, Schnuffel.«
»Bitte, Markus«, stammele ich.
Er zögert in der Tür, als rechne er mit einer Entschuldigung.
»Kannst du nicht Stefan und Anders in euren Registern suchen? Ich verspreche, dass das hier … dass du nicht darunter leiden wirst, wir nicht. Ich muss nur wissen, was passiert ist. Bitte, versuch, das zu verstehen.«
Ehe er das Zimmer verlässt, kann ich noch seinen Blick auffangen, in dem ich etwas Hartes sehe.
In dieser Nacht schlafe ich auf dem Sofa. Es ist eng und unbequem, und mir geschieht total recht. Ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt, um einem sinnlosen Rätsel nachzugehen, dessen Lösung ich ja doch nie finden werde. Aus dem Schlafzimmer höre ich Erik wimmern. Noch einer, den ich liebe und den ich vernachlässigt habe. Die Wunde auf seiner Stirn ist gut verheilt. Aber es hätte ganz anders enden können.
Ich denke, dass es jetzt reicht. Dass ich Stefan loslassen, ihn in diese Rinne gleiten lassen muss, zurück in die Vergangenheit, und dass ich selbst hier in der Wirklichkeit bleiben muss.
Dann piepst mein Mobiltelefon, leuchtet vor mir auf dem Couchtisch. Eine Mail. Ich schaue auf die Uhr. 01:42. Wer mailt um diese Zeit? Ich klicke mich in die Mailbox, kenne den Absender nicht.
»Hi, du schreibst, dass dein Mann ein Kumpel von dem Typen war, der vor meinen Augen im Park erschossen wurde. Du weißt ja, dass ich der Polizei schon alles gesagt habe. Ich kapier nicht so ganz, wie es dir helfen soll, mit mir zu reden. Aber wenn es stimmt, dass dein Mann auch gestorben ist und dass du glaubst, das hier kann dir helfen, dann von mir aus. Dann können wir uns treffen und reden. Wenn du mir deinen Namen und deine Nummer mailst, ruf ich dich an. Aber erst schau ich nach, wer du bist. Damit ich weiß, dass du die bist, für die du dich ausgibst. Anna.«
Mein Magen krampft sich zusammen. Ich antworte ihr sofort, während in mir die Neugier wächst. Wer ist sie, dieses Mädchen, das in der kalten Februarnacht im Drogenrausch den Mord an Anders Holmberg miterlebt hat?
Es war leicht, Ulrik Lundin zu finden, einer der drei, die Maj als Stefans engste Freunde auf dem Gymnasium bezeichnet hat. Mir geht mehr und mehr auf, dass sich heutzutage alle Informationen im Internet finden lassen – wo du wohnst, mit wem du zusammenlebst, wie viel du verdienst.
Ulrik Lundin ist, wenn man der von mir gefundenen Info glauben will, verheiratet mit Lisa Lundin und arbeitet als Chefanalytiker bei der Finanzfirma Carnegie, was immer das für ein Posten sein mag. Sein Einkommen wurde im vergangenen Jahr auf 3 587 400 Kronen veranschlagt, mehr als zehnmal so hoch wie meines.
Ich stehe vor dem überwältigenden Haus im Havsstig in Saltsjöbaden. Es gibt also Menschen, die wirklich hier wohnen. Das Haus, ein kleineres Herrenhaus mit weißem Verputz, wird wohl um die Jahrhundertwende erbaut worden sein. Es thront in einsamer Majestät auf der verschneiten kleinen Anhöhe, mit freiem Blick auf Saltsjön. Ich drücke auf die silberne Klingel am Tor, höre ein Surren und sehe, wie eine Überwachungskamera sich auf mich richtet.
Als ich anrief, hörte er sich zuerst reserviert und gleichgültig an, aber seine Stimme wurde sofort weich, als er hörte, dass ich mit Stefan verheiratet war. Und sicher, klar wollte er sich mit mir treffen. Warum nicht schon in dieser Woche? »Wir bauen gerade die Küche um, deshalb bin ich Freitag zu Hause. Komm doch dann, ich mache Kaffee.«
Dann steht er vor mir auf der anderen Seite des Tores. Nicht viel anders als der Junge
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