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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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sah so verdammt gut aus, seine Mutter. Der feuchte Traum aller Jungs. Eine richtige MILF .«
    »Habt ihr noch Kontakt, du und Micke?«
    »Seit dem Abi nicht mehr. Wir hatten wohl nicht so viele Gemeinsamkeiten im Grunde. Aber warum willst du das alles wissen? Was hat das mit Stefan zu tun?«
    Ich schaue aus dem Fenster, auf die Bucht, die tief verschneit draußen liegt. Es ist nicht sehr weit bis zu meinem eigenen Haus. Ohne den vielen Schnee könnte man vielleicht auf Schlittschuhen hinlaufen.
    »Ich glaube, ich versuche zu verstehen, warum Stefan sich umgebracht hat.«
    »Sich umgebracht? Ich dachte, es war ein Tauchunfall.«
    »Das haben wir zuerst alle geglaubt. Später ist mir aufgegangen, dass es Selbstmord war. Aber ich konnte nie begreifen, warum. Und ich will es wissen. Es ist lebenswichtig für mich.«
    Er nickt langsam.
    »Das kann ich verstehen. Aber was hat das mit mir und Anders und Micke zu tun?«
    »Ich habe unter seinen alten Papieren Notizen gefunden. Und ich glaube, dass die mit Anders zu tun haben.«
    »Ach?«
    »Ich glaube, dass es einen Zusammenhang zwischen Stefans Selbstmord und dem Mord an Anders geben kann.«
    Ulrik versinkt tiefer in den grünen Sessel. Sieht plötzlich alt und müde aus.
    »Es hat eine Zeit gegeben, in der auch ich nach Antworten und Erklärungen gesucht habe. Jetzt glaube ich, dass die Dinge einfach passieren. Dass es nicht immer einen Grund gibt. Dass das ganze Leben nur ein verdammter Zufall ist.«
    Vorsichtig ziehe ich das Passfoto des dunklen Mädchens aus der Plastikmappe, die ich bei mir habe.
    »Kennst du sie?«
    Er winkt mir zu, damit ich ihm das Bild reiche. Hält es ins Licht. Schüttelt danach traurig den Kopf.
    »Nie gesehen. Es tut mir so leid, dich enttäuschen zu müssen, Siri.«
    Als wir uns am Tor verabschieden, ist seine Umarmung lang und warm. Er nimmt meine Hand in seine beiden.
    »Du, es war schön, dich kennenzulernen. Versprich mir anzurufen, wenn noch etwas sein sollte.«

Die Sonne brennt mir in den Nacken. Es ist warm im Zimmer, und ich muss mich vorbeugen und die Jalousien zurechtrücken, damit Caroline das scharfe Licht nicht in die Augen bekommt. Auf dem Markt draußen ist mehr los als seit langem. Offenbar wollen alle beim Blumenstand Tulpen und Krokusse kaufen. Das schöne Wetter schenkt wieder die Hoffnung, dass dieser ewig lange Winter trotz allem irgendwann loslassen und die Menschen in der Stadt befreien wird, die seit Monaten in Finsternis und Kälte gefangen sind.
    Caroline sieht froh aus. Sie trinkt ihr Wasser in langen Zügen, und ein blasser Lippenstiftrand bleibt auf dem Glas zurück, als sie es auf den Tisch setzt. Sie hat sich die Haare gekämmt und trägt ein gebügeltes Hemd und ein Paar Jeans, die neu aussehen. Sie sieht nicht mehr aus wie ein schlampiger Teenie. Kein Mädchen mehr, denke ich.
    »Ich bin fertig mit meiner Hausarbeit. Und wissen Sie, was das bedeutet?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Dass mir nur noch eine Prüfung bleibt. Ich weiß ja, dass es total krank ist und dass ich viel zu lange gewartet habe. Und vermutlich kriege ich mit all den Löchern in meinem Lebenslauf nie einen Job, aber … es ist so ein schönes Gefühl. Ich bin bald fertig. Und wissen Sie, was noch passiert ist?« Caroline ist jetzt eifrig, beugt sich vor und richtet die hellblauen Augen auf mich. Sieht stolz aus. Wie ein Kind, das seiner Lehrerin etwas erzählen will.
    »Was denn?«
    »Ich ziehe um.« Sie sagt das triumphierend und lacht dann laut. Es ist unvorstellbar, dass es dieselbe Person ist, die vor nur einem Monat hier saß und weinte, als sie von Darius erzählte. Ich merke, wie mein Hals sich zusammenzieht und mir die Tränen in die Augen treten, und ich muss mich abwenden und husten, damit Caroline das nicht sieht. Was sie tut, ist beeindruckend, und ihre Stärke und Entschlossenheit finde ich rührend.
    »Das habe ich vorige Woche beschlossen. Also, die Leute von der Heilsarmee waren vor ein paar Tagen bei mir und haben Darius’ Sachen geholt. Mein Papa hat mir geholfen, die vorher einzupacken.«
    »Und wie ist es möglich, dass Sie das jetzt alles über sich bringen?«
    Caroline verstummt und holt rasch Atem. Ich sehe den Schmerz in ihrem Gesicht, den Schmerz, aber auch die Erleichterung. Der verbissene Zug um ihre Wangenknochen ist verschwunden. Als ob sie nichts mehr mit Gewalt zurückhalten müsste.
    »Ja, das ist schon seltsam. Aber … ich nehme an, es war ganz einfach so weit. Dass ich eingesehen habe, dass er nicht zu mir

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