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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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das Gespräch abbrechen, weil er mich für eine aufdringliche Verkäuferin hält.
    »Siri? Stefans Siri?« Der Zorn ist in Verwirrung umgeschlagen.
    »Entschuldige bitte die Störung. Vielleicht habe ich dich geweckt. Ich wollte ja nicht …«
    »Ich bin zu Hause, krank. Erkältet. Hatte gerade geschlafen. Macht aber nichts. Was kann ich für dich tun?«
    Er redet undeutlich, in kurzen abgehackten Sätzen, und plötzlich geht mir auf, dass er angetrunken ist. Ich erkenne die Anzeichen. Weiß so gut, was man tut, um sich nicht zu verraten. Ich erkläre, dass ich ihm gern ein paar Fragen über Stefan und Anders Holmberg stellen würde.
    Es wird still im Telefon. Nur seine Atemzüge sind noch zu hören. Ich frage mich, ob ich zu weit gegangen bin, ob er sich weigern wird, mich zu treffen. Bisher hat die Tatsache, dass ich Stefans Witwe bin, mir bei Anders’ Vater und Ulrik Lundin Zutritt verschafft, aber für Mikael reicht es vielleicht nicht. Und wenn es so ist, kann ich ihm keinen Vorwurf machen, die Frau eines toten Jugendfreundes ruft an und will über Verschwörungstheorien reden, die sich um einen Mord drehen.
    »Nicht jetzt. Später diese Woche. Sagen wir Freitag. Geht das?«
    Er hört sich plötzlich nüchterner an. Und auch freundlicher. Ich schaue in meinen Kalender. Sehe, dass Caroline Helsén am Freitag einen Termin hat, beschließe aber, den zu verschieben. Wir verabreden uns bei Mikael zu Hause und beenden das Gespräch.
    Ich habe soeben das Telefon weggelegt, als es klingelt. Mein erster Gedanke ist, dass Mikael sich die Sache anders überlegt hat, und melde mich sofort, vorbereitet auf eine Absage. Aber statt der belegten dunklen Stimme höre ich eine weiche, fast flüsternde Frauenstimme.
    »Spreche ich mit Siri Bergman?«
    »Ja?«
    »Hier ist Anna. Lynette von Flashback . Sie haben mir gemailt, wollten sich mit mir treffen und über den Abend damals reden.«
    In meinem Kopf kommt alles zum Stillstand. Lynette. Das Mädchen, das im Drogenrausch zugesehen hat, wie Anders Holmberg erschossen wurde. Ich muss mir ihr reden.
    »Anna, danke, danke für deinen Anruf. Ich möchte so gern …«
    Sie fällt mir ins Wort.
    »Ich kann jetzt nicht so gut reden, aber wenn Sie mich treffen wollen, dann nachher heute Nachmittag. Ich kann in ungefähr einer Stunde, dann hab ich Feierabend. Sie sind doch auf Söder, ja, am Medborgarplatz?«
    Es ist eine rhetorische Frage, und mir fällt ein, dass sie gesagt hatte, dass sie mich überprüfen wollte.
    »Wir können uns in den Söderhallen treffen, da gibt es gleich links beim Eingang ein Café. Da treffen wir uns um vier? Geht das?«
    Ich schaue schnell auf die Uhr. Eigentlich muss ich Erik abholen und müsste bald los, aber ich weiß, dass Markus heute früher aufhört. Ich kann ihn sicher dazu überreden, Erik zu übernehmen.
    »Von mir aus gern. Und ich …«
    Wieder fällt sie mir ins Wort.
    »Gut. Dann bis gleich. Ich weiß, wie Sie aussehen.«
    Das Gespräch wird beendet, und ich sitze da mit dem Telefon in der Hand, die ein wenig zittert.
    In einer Stunde werde ich Lynette treffen.
    In einer Stunde werde ich vielleicht einige der Antworten erhalten, die ich suche.

Mein erster Gedanke ist, dass ich sie mir nicht so klein und zierlich vorgestellt hatte. Dass sie fast aussieht wie ein Kind. Aber dann sehe ich ihren Blick.
    Ihre Augen.
    Ich erkenne diesen müden, leicht erschöpften Zug um die Augen. Junge Mädchen, die in wenigen Jahren mehr gesehen haben als die meisten von uns in einem ganzen Leben. Ich hätte gern gewusst, wie ihre Geschichte aussieht. Was sie dazu gebracht hat, vor fünf Jahren zugedröhnt und einsam in einer bitterkalten Winternacht auf Östermalm unterwegs zu sein.
    Sie stellt sich vor als Anna Kantsow, bindet ihre langen schwarzen, strohigen Haare zu einem Knoten und bittet um einen schwarzen Kaffee und eine Rumkugel. Als die Kellnerin den Kaffee bringt, rührt sie ihn nicht an, sondern schiebt die Rumkugel langsam auf dem weißen, angestoßenen Teller herum. Einen Zentimeter jeweils.
    »Ich weiß ja nicht, wie ich Ihnen helfen soll. Ich habe der Polizei alles erzählt, was ich weiß. Mehrmals.« Ihr Gesicht ist ausdruckslos, ich kann nichts darin lesen. Sie zeigt keine Gefühle. Gibt keine Hinweise.
    »Mein Mann und Anders Holmberg waren alte Freunde. Vom Gymnasium her. Dann wurde Anders ermordet, und kurz danach starb mein Mann.«
    »Ist der auch ermordet worden?«
    Ihre Frage ist kurz und präzise, und für einen Moment überlege ich, wer

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