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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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hier wen ausfragt.
    »Nein, er hat Selbstmord begangen.«
    »Und jetzt glauben Sie, dass er Anders Holmberg ermordet hat und dann mit seinen Schuldgefühlen nicht mehr leben konnte?«
    Ihr Gesicht ist noch immer neutral, ihre Stimme leise und klangvoll. Sie scheint nicht zu merken, welche Wirkung ihre Worte auf mich ausüben. Ich höre mitten im Kauen auf. Lege die Zimtschnecke auf den Teller und starre sie nur an. Sie hat das Verbotene ausgesprochen. Das gesagt, wovor ich mich am meisten fürchte. Dass Stefan auf irgendeine Weise in Anders’ Tod verwickelt ist. Ich will es nicht glauben, aber sein Selbstmord kommt mir noch immer so unwirklich vor und die Ursachen wirken so verworren, dass ich nicht mehr weiß, was möglich ist. Ich beschließe, die Wahrheit zu sagen. Etwas an Anna lässt mich glauben, dass es hier das Beste ist, aufrichtig zu sein.
    »Ich weiß nicht. Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll. Aber der Gedanke ist mir auch schon gekommen.«
    Anna nickt, als ob sie das versteht. Ihre Züge werden weicher, und die Feindseligkeit, die so deutlich war, scheint zu verfliegen.
    »Mein aufrichtiges Beileid.« Sie sagt das ernst, und es klingt feierlich und ein wenig fremd. Als passe die altmodische Wortwahl nicht so recht zu ihrem Alter und dem schmächtigen Körper.
    »Können Sie erzählen, würden Sie erzählen, was passiert ist?«
    Ich höre, dass ich flehe. Dass ich fast verzweifelt klinge. Wieder nickt Anna.
    »Na gut, ich werde es versuchen. Ich kann mich aus der Zeit nicht an sehr viel erinnern, das müssen Sie verstehen. Ich habe tausend Dinge getan, die ich nicht hätte tun dürfen. Es war eine harte Zeit. Mein Vater war krank, wir hatten gerade erfahren, dass es Krebs war.«
    Ich nicke, denke an Aina, die noch immer auf ihre Diagnose wartet.
    »Papa versuchte, ganz normal zu sein, aber wir merkten ja, dass er Angst hatte. Mama hat sich auch alle Mühe gegeben, um uns Kinder glauben zu lassen, dass alles in Ordnung wäre. Aber das ging natürlich nicht, wir wussten doch, dass Papa vielleicht sterben müsste. Mein kleiner Bruder flippte total aus, fing an, sich zu prügeln und Schule zu schwänzen. Mama musste dauernd zu seinen Lehrern, und Papa hatte eine Chemo- und Bestrahlungsrunde nach der anderen. Und niemand schien mich auch nur zu sehen. Dann habe ich im Netz einen Typen kennengelernt. Oder genauer gesagt, einen Mann. Marko.«
    Anna seufzt und streicht sich die Haare aus der Stirn.
    »Er war meine erste Liebe. Herrgott, was war ich in ihn verliebt. Er war älter als mein Vater. Sie als Psychologin können das vielleicht erklären. Vaterersatz oder so was?«
    Sie redet leichthin, fast ironisch, aber ich spüre hinter dem beherrschten Äußeren Schmerz und Trauer.
    »Was ist passiert?«
    Ihre Geschichte hat mich gepackt, und ich verspüre ehrliche Neugier.
    »Was soll schon passiert sein? Er behauptete, mich zu lieben. Wir haben gevögelt. Er machte so allerlei. Dealen, Heh lerei. Ich weiß nicht … Er hatte oben auf Östermalm eine große verfallene Wohnung. Es gab so viele Zimmer, dass man sich verirren konnte. Größer als unser Haus. Ich hab mich in einem Zimmer versteckt, und dann musste er mich suchen. Und wenn er mich fand, durfte er mich ficken. Albern, was?« Sie sieht düster aus, und zwischen ihren Augenbrauen zeigt sich eine kleine Furche.
    »Aber Sie waren erst fünfzehn. Er hat Sie ausgenutzt!« Ich bin wütend über ihre Geschichte.
    »Vielleicht hat er mich ausgenutzt, aber ich war mehr als bereit, mich ausnutzen zu lassen. Verstehen Sie? Wenn ich dort war, bei Marko, dann war die ganze Welt wie verwandelt. Die Schule verschwand, genau wie meine Eltern. Meine Freunde … mein normales Leben wurde unwirklich. Es war wie ein Märchen. Ich war glücklich und meistens auch high, ha. Und wie alle Scheißmärchen hatte es ein Ende.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich kam gerade von Marko, als ich sah, wie er erschossen wurde, dieser Anders Holmberg. Zuerst habe ich Marko angerufen, als mir aufging, was ich da gesehen hatte. Er hatte eine Scheißangst, sagte, ich sollte die Klappe halten und ganz schnell abhauen. Und das habe ich auch getan. Aber dann habe ich in der Zeitung über den Mord gelesen. Und ich habe über … seine Frau gelesen. Anders Holmbergs Frau, meine ich, die war dann auch im Fernsehen. Hat von ihren Kindern erzählt. Ich dachte an Mama und Papa und meinen Bruder. Daran, wie mir zumute wäre, wenn mein Papa erschossen worden wäre und kein Zeuge sich meldete. Also

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