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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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bin.
    »Verdammt, du hast mich vielleicht erschreckt!«
    Er sieht die Zeitlinie auf meinem Schreibtisch an. Runzelt die Stirn.
    »Was …?«
    »Nichts«, antworte ich rasch und falte das Papier zusammen.
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Absolut. Ich versuche nur …«
    »Was?«
    Ich sehe die Unruhe in seinen Augen. Sven und Aina – immer bereit, ihre Schlüsse über meinen Gemütszustand zu ziehen. Vereint in der Überzeugung, dass ich verletzlich bin, so verletzlich. Ein Mensch, der vor der Welt geschützt werden muss, vielleicht vor dem Leben.
    Ich seufze. Falte das Blatt auseinander und zeige ihm mein Werk. Er schweigt eine Weile und beugt sich über meinen Schreibtisch. Ich kann seinen Atem hören, rieche sein Rasierwasser.
    »Was ist das denn?«, murmelt er.
    Langsam und sehr leise fasse ich mein Wissen zusammen. Dass ich die Papiere in Stefans Karton gefunden habe, dass ich seinen Kalender durchgegangen bin und die Eintragungen über Anders gefunden habe. Dass ich das einfach nicht für einen Zufall halten kann. Dass ich die Wahrheit herausfinden will – egal, wie Aina und Markus und Sven das sehen.
    Sven lässt sich in den Besuchersessel sinken. Plötzlich sieht er alt und müde aus, nimmt die Brille ab und massiert sich die Schläfen.
    »Ich mache mir Sorgen um dich«, sagt er kurz und nachdrücklich.
    »Hör doch auf. Wenn du und Aina und Markus nur damit aufhören könntet. Ich komme schon zurecht. Es gibt keinen Grund zur Besorgnis.«
    Er schweigt eine Weile, spielt mit seiner Brille und schaut aus dem Fenster.
    »Manchmal glaub ich, wir sind uns ziemlich ähnlich, du und ich.«
    Ich hebe die Augenbrauen. Er hebt die Hand, wie um mich am Reden zu hindern.
    »Ich denke jetzt nicht an den Suff. Sondern an etwas anderes. Ich glaube, wir können uns in Dinge verbeißen. Wir können uns so sehr für etwas einsetzen, dass wir darüber die Wirklichkeit aus dem Griff verlieren. Ich will ehrlich sein. Ich finde das hier reichlich weit hergeholt.«
    Er zeigt auf die Zeitlinie und schüttelt den Kopf.
    »Nur weil einer von Stefans alten Freunden einige Monate vor Stefans Tod ermordet worden ist, braucht es doch keinen Zusammenhang zu geben. Nicht einmal, wenn sie am Ende Kontakt hatten oder wenn Stefan diese seltsamen Einträge über A gemacht hat.«
    »Aber warum hat er mir nichts gesagt?«
    Sven zuckt mit den Schultern.
    Dann sagt er: »Das wirst du wohl nie erfahren. Und deine kleine Untersuchung wird dich nur in das schwarze Loch führen, in dem du nach Stefans Tod gesteckt hast. Sagen wir, es gäbe einen Zusammenhang. Und Stefan hätte aufgrund von Anders’ Tod Selbstmord begangen. Was würde das für einen Unterschied bedeuten? Er ist tot und begraben und kommt nicht zurück. Heute hast du Markus und Erik. Ein neues Leben.«
    »Bitte, Sven«, flüstere ich. »Darum geht es doch nicht. Ich muss es wissen. Verstehst du das nicht?«
    »Dieses Wissen würde nichts ändern«, sagt er entschieden.
    Dann geht er. Lässt mich mit meiner Zeitlinie und meinem schlechten Gewissen sitzen.

Auf dem Heimweg fasse ich einen Entschluss. Ich werde mich mit Mikael Arvidsson treffen, aber wenn dabei nichts herauskommt, werde ich aufhören. Mein Zwerchfell zieht sich zusammen. Bei der Vorstellung, weitermachen zu müssen, ohne die Wahrheit zu erfahren, wird mir schlecht. Das Gefühl, des Rätsels Lösung nahe zu sein, ist so deutlich, dass ich es fast greifen kann, als ob jemand neben mir in der Dunkelheit stünde und ich nur die Hand auszustrecken brauchte, um diesen Menschen zu berühren.
    Trotzdem weiß ich ja auch, dass ich in meinen Nachforschungen zu weit gegangen bin, dass ich und die, die ich liebe, durch meine Jagd nach der Wahrheit verletzt werden können. Und vielleicht hat Sven recht? Was soll ich mit der Wahrheit machen, wenn ich sie finde? Welchen Unterschied wird sie für mein Leben bedeuten, meinen Alltag?
    Kurz vor der Skurubrücke piept mein Mobiltelefon. Aina schickt eine empörte SMS . Die Untersuchung muss wiederholt werden. Die Ärzte sind – wenn man Aina glauben will – unfähige Trottel, zudem ohne jegliches Einfühlungsvermögen. Und sie ist über alle Vernunft hinaus wütend.
    Ich ziehe die Handschuhe aus, zögere eine Sekunde. Aina muss zu den Menschen gehören, die ich am allerhärtesten auf die Probe gestellt habe. Wieso nur hat sie es mit mir ausgehalten? Wie konnte sie in den Monaten nach Stefans Tod bei mir wohnen? Woher hat sie die Geduld genommen, als ich wochenlang nur Wein getrunken und

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