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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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wieder los, diesmal lautlos. Ihr Gesicht ist ausdruckslos und bis zur Unkenntlichkeit geschwollen.
    »Entschuldigung. Ich weiß, dass ich hysterisch bin. Ich hatte ja geglaubt, so langsam über diese Sache hinweg zu sein, ihn losgelassen zu haben. Weitergegangen zu sein, sozusagen. Aber dann hat er mich angerufen, einfach so. Ich hatte gerade meine Hausarbeit abgegeben. Klasse Timing, was? In dem Moment, als ich weitergehe, im wahrsten Sinne des Wortes, taucht er auf wie ein Springteufelchen. Ruft mich an. Ein Zeichen vielleicht, der Finger Gottes oder so. Finden Sie nicht? Und als ich seine Stimme höre … ich dachte zuerst, ich würde ohnmächtig, so ein Schock war das. Alles um mich herum fing an, sich zu drehen. Mein ganzes Leben rotierte. Ich musste mich setzen und die Augen zukneifen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Es war in der Universität, vor der Bibliothek. Ich habe mich sicher total komisch aufgeführt, alle starrten mich an.«
    »Und was hat er nun gesagt?«
    Meine Hand liegt auf ihrem Unterarm. Sie streicht sich einige schweißnasse blonde Haarsträhnen aus dem geschwollenen Gesicht. Schüttelt kurz den Kopf.
    »Entschuldigung, ich bin doch total … ich sehe ja ein, wie verrückt das alles ist. Entschuldigung, Entschuldigung«, murmelt sie.
    »Das ist kein Problem, Caroline. Aber jetzt erzählen Sie, was er gesagt hat.«
    »Er hat gesagt.« Plötzlich fängt sie mitten im Schluchzen an zu kichern. »Verzeihen Sie, das ist doch total absurd, aber als ich seine Stimme gehört habe, dachte ich, jetzt, jetzt ist es so weit. Jetzt ruft er an, um mir zu sagen, dass es Schluss ist, dass alles ein Missverständnis war. Dass er mich doch wieder will.« Ihre Stimme versagt, wird zu einem brüchigen Flüstern. »Entschuldigung«, flüstert sie noch einmal, Schluchzen und Kichern gehen ineinander über. »Ich bin wirklich total durchgeknallt.«
    Ich berühre noch einmal ihren Arm. Ist man verrückt, wenn man nicht hinnehmen will, dass eine Beziehung zu Ende ist?, überlege ich. Ist man verrückt, wenn man die Kleider des Verflossenen behält, seine Zahnbürste im Badezimmer stehen lässt, wie eine tote Topfblume auf der Fensterbank? Und was ist eigentlich Verrücktheit? Wo verläuft die Grenze zwischen pathologischem Wahnsinn und gesunder Wut und Trauer? Und wer entscheidet, wo diese Grenze verläuft?
    »Sie dachten also, mit den beiden wäre Schluss?«
    Sie nickt, lächelt hilflos, lässt sich zurücksinken und schließt die geröteten Augen.
    »Ich schäme mich jetzt wirklich, verstehen Sie. Weil mich das so umgeworfen hat, so verrückt gemacht hat. Weil ich so ein verrücktes Huhn bin. Ich will nicht verrückt sein. Ich will normal sein und rational und ausgeglichen und … jedenfalls hat er erzählt, dass sie ein Kind bekommen. Und ich sollte das von ihm direkt hören, nicht auf Umwegen, weil er doch wüsste, dass mich das treffen würde.«
    »Und was haben Sie gesagt?«
    »Gesagt? Ich habe gar nichts gesagt. Ich bin im Erdboden versunken. Habe aufgehört zu existieren. Und dann habe ich ihn weggedrückt.«
    Ich nicke schweigend.
    »Und jetzt?«
    »Und jetzt, tja.« Sie stößt noch so ein ersticktes Kichern aus. »Damit, dass sie ein Kind kriegen, kann ich umgehen. Aber nicht damit, dass ich verrückt bin. Verstehen Sie? Ich wünschte, er hätte nicht angerufen und es erzählt und ich hätte es nie erfahren.«
    »Ich glaube, es ist gut, dass Sie das erfahren haben. Es ist immer besser zu wissen, als in Ungewissheit zu leben. Ich glaube, Sie werden aus dieser Sache eine sehr wichtige Lehre ziehen.«
    »Ach, und was soll das sein?«
    »Dass Sie eben nicht verrückt werden, dass es Ihnen nur so vorkommt. Dass dieses Gefühl nicht gefährlich ist, denn es ist trotz allem nur ein Gefühl.«
    »Wirklich?« Sie sieht mich aus roten kleinen Augen an. »Und Sie meinen, das wüssten Sie?«
    Plötzlich schäme ich mich. Vielleicht bin ich zu weit gegangen.
    »Entschuldigung«, sage ich und drücke ihren Arm mit der Hand. »Ich meine natürlich nicht, dass das, was passiert ist, gut war. Ich meine nur, dass Sie auch damit noch fertigwerden. Und dann stehen Sie auf der anderen Seite, ohne verrückt geworden zu sein – das verspreche ich Ihnen –, und dann werden Sie stärker sein.«
    Langsam, aber entschieden nimmt sie meine Hand von ihrem Arm. Sie steht auf und sieht mich voller Abscheu an.
    »Wie können Sie ernsthaft behaupten, das hier sei gut für mich? Sind Sie Sadistin, oder was?«
    »Caroline, warten

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