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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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Können wir nicht tauschen, ich krieg deine und du meine?«
    Stefan musste über diesen Versuch eines Tauschhandels einfach lachen. Anders’ Mutter war Psychiaterin. Groß, mager, mit kurzen dunklen Haaren und einer großen Brille. Er hatte sie nie lachen sehen, und sie hatte etwas Beängstigendes. Er fühlte sich immer schuldig, wenn er auf sie traf, als ob sie ihn beim Wichsen im Badezimmer überrascht hätte.
    »Ich glaube, ich verzichte, aber jedenfalls danke.«
    Micke hatte den Kugelschreiber weggelegt. Vielleicht hatte er eingesehen, dass er nichts mehr schreiben würde, solange die anderen dabei waren.
    »Kann dir keine Vorwürfe machen, dass du so ein Muttersöhnchen bist. Ich würde sie auch behalten, wenn ich du wäre.«
    Anders seufzte und schaute wieder auf das Spielfeld.
    »Aber warum hast du nie eine Freundin, willst du nicht, oder?«
    Ulrik stellte diese Frage mit neutraler Stimme, sein Gesicht war ausdruckslos.
    »Doch, schon, aber …«
    Micke wurde noch röter und starrte seinen Block an.
    »Es ist doch wohl nicht so, dass du auf Jungs stehst, Micke? Das mit dem Kung-Fu, entschuldige, Karate, ist vielleicht nur ein Vorwand, um den anderen Jungs beim Duschen zusehen zu können?«
    Ulrik fragte mit sanftem verständnisvollen Ton, aber seine Augen funkelten widerlich und vorwurfsvoll. Micke sprang so plötzlich auf, dass sein Stuhl umkippte, und nur eine Sekunde darauf stand er vor Ulrik.
    »Du Arsch! Du hast keine Ahnung. Kapierst du? Keine Ahnung.«
    Das sagte er leise, aber Stefan konnte an seinen Augen und seinen zusammengebissenen Zähnen sehen, dass er außer sich vor Wut war. Stefan und Anders standen gleichzeitig auf und zogen Micke von Ulrik weg.
    »Hör jetzt auf. Das war doch bloß ein Witz, Arvidsson, okay? Wir wissen, dass du nicht schwul bist. Wir wissen, dass du mit deiner Mutter schläfst.«
    Anders’ Versuch, durch einen Scherz die Situation zu entschärfen, war aufgesetzt, aber aus irgendeinem Grund dämpfte er Mickes Wut. Micke drehte sich um, hob den umgekippten Stuhl auf und setzte sich dann wieder.
    »Ich bin kein Scheißschwuler, okay?«
    Micke schaute sich im Zimmer um, ließ seinen Blick nacheinander an jedem haften. Die anderen nickten, Ulrik murmelte sogar eine Entschuldigung, während Stefan in den grauen Augen etwas anderes ahnte – Befriedigung.

Stockholm 2010

Es ist eine seltsame und vielleicht auch ein wenig unangenehme Ironie, dass Vijay ausgerechnet auf dem Eis spazieren gehen will. Er behauptet, sein Arbeitszimmer im Psychologischen Institut sei zu einengend, zu wenig inspirierend so ganz allgemein. Ich glaube, er sehnt sich zu sehr nach einer Zigarette, um im Haus bleiben zu können.
    Ich habe ihm die Wahrheit gesagt, dass ich sicher bin, dass Stefans Tod etwas mit dem Mord an Anders zu tun hat. Zusammen sind wir Stefans Tagebuch und meine eigenhändig konstruierte Zeitlinie durchgegangen. Ich habe von meinen Gesprächen mit Stefans Mutter, Anders’ Vater, Ulrik Lundin, Mikael Arvidsson und Anna Kantsow erzählt. Am Ende habe ich den Mord an Anna geschildert. Vijay legte während dieses Gesprächsteils seine Hand auf meine, tröstete mich und versorgte mich mit Kleenex – als wäre er der Therapeut und ich die Klientin.
    Jetzt wandern wir langsam über den Brunnsviken durch den Wind. Der imponierende Klinkerbau des Psychologischen Instituts ragt am Horizont auf wie ein Tier, das auf s eine Beute lauert. Das Eis ist bedeckt von kleinen blauen Pfützen, die den dunkler werdenden grauen Nachmittag shimmel widerspiegeln.
    »Bist du sicher, dass das Eis trägt?«, frage ich.
    Er schaut mich belustigt an, kehrt dem Wind den Rücken zu und steckt sich noch eine Zigarette an. Ein Windstoß fängt seine halblangen schwarzen Haare ein, packt sie und lässt sie wie ein Segel zum Himmel flattern. Er grinst fröhlich.
    »Shit, und dabei hatte ich sie so schön über die kahle Stelle gekämmt …«
    »Du…?«
    »Ja?«
    »Jetzt mal ehrlich.«
    »Ich bin immer ehrlich zu dir, Siri.«
    Ich hebe die Augenbrauen und mustere ihn zweifelnd.
    »Na gut, fast immer«, er lacht und zeigt die perfekten Zähne unter dem Frank-Zappa-Schnurrbart.
    »Glaubst du, meine Theorie ist weit hergeholt?«
    Er zieht an der Zigarette und blickt auch auf das Eis hinaus. In der Ferne sehen wir Skiläufer und zwei Väter mit Kinderwagen. Natürlich. Nur Väter würden bei Tauwetter mit einem Kinderwagen aufs Eis gehen, denke ich.
    »Nein, ich halte sie nicht für weit hergeholt«, sagt er nach einer

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