Bezueglich Enten und Universen
hinzu, »kam jemand auf die Idee, die frühen Modelle als Ersatz für Papierbücher zu vermarkten, aber die Bildschirme waren schlecht für die Augen und das Umblättern der Seiten dauerte zu lange. Hier in Universum B haben sie sich als E-Reader nie durchgesetzt. Als der Omni endlich nachUniversum A gelangte, war die Technologie schon weiter fortgeschritten.«
»Und so verschwanden Papierbücher aus deiner Welt«, meinte Bean.
»Aber Olivia May Novak Irving mit ihrem verschütteten Saft ist nicht die Universenmacherin, weil ...?«, fragte ich.
»Sie ist zu groß. Einfach zu schwer.« Arni tat das Scheitern seiner Lieblingstheorie mit einem Achselzucken ab. »Ein Jammer. Es ist eine so schöne, starke Ereigniskette.«
»Suchen wir dann nach der stärksten Ereigniskette, die sich überhaupt finden lässt?«, wollte ich wissen.
Arni hob die Hände in der universellen Geste für »schwer zu sagen«. »Nun ja ...«
Professor Maximilian, der an Beans Schreibtisch stand und beiläufig in ihren Büchern blätterte (
Geschichte der Bihistorie, Mathematik durch die Zeitalter, Seifenblasen: Auf die richtige Mischung kommt es, Poesie in Malta
), blickte auf. »Sagen wir, Bean hier taucht eines Morgens mit laufender Nase auf, niest und steckt Pak mit ihrer Erkältung an.« Er deutete auf Pak, der in seinem Plastik-Rollenstuhl ohne Polster, die Füße auf den Tisch gelegt, der Diskussion lauschte. »Am nächsten Tag hat Pak das Gefühl, dass er sich etwas eingefangen hat, und bestellt beim Mittagessen Suppe, nicht seinen üblichen Salat. Das rettet ihm das Leben – der grüne Salat war nicht richtig gewaschen, und er hätte sich eine Lebensmittelvergiftung zugezogen, an der er eine Woche später gestorben wäre.«
»Nicht, wenn er Wagners neuen und verbesserten Salatpurifikator verwendet hätte«, wandte ich ein. Das Beispiel, das der Professor gewählt hatte, irritierte mich irgendwie.
»Wenn wir unser Gedankenexperiment von außen betrachten, wissen wir, dass Beans Niesen die verhängnisvolle Ereigniskette ausgelöst hat – sie niest, Pak wird gerettet.« Der Professor griff nach einem anderen von Beans Büchern (
Wackeln,Wippen, Wogen – Übungen im Bauchtanz
) und warf einen kurzen Blick hinein. »Aber innerhalb der Suppen- und Salat-Universen wäre das nicht so offenkundig. Konsequenzen äußern sich oft unerwartet und verborgen, und Entscheidungen, die aktuell erscheinen können, sind möglicherweise Teil einer bereits in Gang befindlichen Kette. Können Sie mir folgen?«
»Ja«, log ich.
Pak verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sagte: »Historiker in den Suppen- und Salat-Universen, die nichts von Beans Niesen wissen, würden wahrscheinlich darüber debattieren, ob die beiden Universen sich in dem Moment aufgespalten haben, als ich meine Bestellung aufgab – oder später, als ich die erste Gabel Salat oder den ersten Löffel Suppe aß. Oder vielleicht«, fügte er hinzu, »würden sie zu dem Schluss kommen, dass der Punkt sogar noch später liegt, als ich nämlich entweder sterbe oder nicht.«
»Um Ihre Frage zu beantworten, Felix«, schloss Professor Maximilian, »wir können uns nicht auf das verlassen, was wichtig zu sein scheint – die Dinge, die es auf die Titelseiten schaffen oder die großen Entscheidungen in unserem Leben. Möglicherweise kommt es gerade auf die unbedeutendsten Momente an.«
»Alexander Fleming entdeckte das Penicillin«, sagte Arni, während er an die Spüle trat, um die gebrauchten Teebecher zu säubern, »als Schimmelsporen in eine Petrischale gerieten, die er zu reinigen vergessen hatte. Man könnte argumentieren, dass eine Schimmelspore die Ereigniskette auslöste, als sie in der Petrischale landete, oder dass es Alexander Fleming war, indem er benutzte Petrischalen im Labor herumstehen ließ. Wahrscheinlich gebührt das Verdienst sogar seinen Eltern, weil sie es versäumten, ihn besser zur Ordnung zu erziehen. Um die wahre Antwort herauszufinden, bräuchten wir den Zugang zu einem Universum, in dem Fleming das Penicillin
nicht
entdeckte, sodasswir es mit unserem vergleichen können und sehen, wo die beiden Geschichten sich zu unterscheiden beginnen.« Arni warf die Papierserviette, mit der er die Becher getrocknet hatte, in einen Mülleimer und ich zuckte bei der gedankenlosen Verschwendung zusammen. Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück. »In der ersten Woche nach dem Tag Y gab es einen neuen Weltrekord im Speedtanzen in Hongkong, einen Brand auf einem
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