Bianca Arztroman Band 0026
Leihkellner auf der Terrasse und dem gepflegten Rasen fiel ihr Blick natürlich sofort auf Grant — oder besser gesagt, auf Grant und seine Begleiterin.
Joanne Bowles, mit strahlendem Lächeln und in einem tief ausgeschnittenen Modellkleid aus weißem Chiffon, bot das perfekte Bild der selbstzufriedenen Jägerin. Sie klebte so hartnäckig an ihrem Opfer, als wären die beiden an der Hüfte zusammengewachsen.
Henry betrachtete das Paar zufrieden. “Wollen wir uns ein wenig unter die Gäste mischen, Mäuschen? Ich sehe da drüben ein, zwei Kunden, mit denen ich mich ein wenig unterhalten möchte.”
“Geh nur”, sagte Olivia und nahm ein Glas Champagnercocktail von einem der Kellner entgegen. “Ich schaue mir gern für eine Weile einfach nur die Leute an.”
“Macht es dir wirklich nichts aus, allein zu sein?”
“Aber natürlich nicht, Henry!”, sagte sie schärfer, als er verdiente. Aber es fiel ihr schwer, gelassen zu bleiben. Joanne verschlang Grant förmlich mit ihren Blicken. Und das vor der halben Stadt!
Genervt wandte sie sich ab, schob sich eins von den kunstvoll kreierten Canapés in den Mund, schlenderte hinaus auf die Terrasse und schaute hinunter in den Garten. Direkt vor ihr spien steinerne Nymphen ihre Wasserkaskaden in ein großes, muschelförmiges Wasserbecken. Ein sehr viel weniger beunruhigendes Bild als die Szene hinter ihr.
Das Plätschern des Wassers ließ sie Grants Schritte überhören. Sie schrak zusammen, als er plötzlich an ihrem Ohr flüsterte: “Da du anscheinend nicht vorhattest, zu mir zu kommen, bin ich zu dir gekommen, um dir Hallo zu sagen.”
Sein Ellbogen auf der Balustrade neben ihr war so dicht, dass sie seine Körperwärme spürte. Sein After Shave hing leicht in der Luft. Wenn sie sich jetzt zu ihm umdrehte, wäre ihr Mund in Kussdistanz, denn sie roch in seinem Atem Zahnpasta und Kaffee.
“Du bist heute Abend im Dienst, nicht wahr?”, sagte sie.
“Stimmt. Woher weißt du das?”
“Weil du niemals Alkohol anrührst, wenn du Rufbereitschaft hast.”
“Stimmt.” Sie fühlte, wie er sie musterte. “Ich bin überrascht und fühle mich geschmeichelt, dass du dich daran erinnerst.”
Oh, sie erinnerte sich an viel zu viel! Sie erinnerte sich an die Nächte, wo er spät im Krankenhaus arbeitete und sie eingeschlafen war, nur mit dem Kopfkissen als Gesellschaft. Und wie oft war sie in den frühen Morgenstunden aufgewacht, hatte seine Hand auf ihrem Bauch gespürt, zwischen ihren Schenkeln. Oder seinen Mund an ihren Brüsten, oder die erste Welle der Lust, wenn er zu ihr gekommen war.
Es waren gute Zeiten gewesen, Zeiten ohne Zorn aufeinander, ohne Unsicherheiten. Die Zeiten, die es wert waren, erinnert zu werden. Und die Erinnerung daran war so lebendig, dass seine nächsten Worte sie schockierten. “Wir sind schon so lange auseinander, dass ich heute Abend dachte, du hättest alle Erinnerungen an unsere Ehe begraben.”
“Das habe ich auch”, sagte sie, ärgerlich, dass sie ihre eigenen Fehler bedauerte und sich wünschte, sie könnte alles wieder bereinigen zwischen ihnen. Es war einfach unmöglich, dass er eine solche Wirkung auf sie hatte! “Mich wundert nur, dass du mich überhaupt bemerkt hast — wo du so mit Joanne beschäftigt warst.”
Grant mochte viele Fehler haben, dumm aber war er nicht. “Wenn ich es nicht besser wüsste, Olivia, würde ich vermuten, dass du eifersüchtig bist. Aber das ergäbe natürlich keinen Sinn, oder? Deinen Worten nach könnten wir ja nicht einmal mehr Freunde sein — weswegen also sollte es dich interessieren, mit wem du mich erwischst?”
“Das tut es auch nicht. Das heißt jedoch nicht, dass ich —”
“Du hast mir sehr deutlich gemacht, dass du nun dein eigenes Leben führst. Und sicher weißt du, dass das Gleiche für mich gilt. Oder glaubst du, dort oben im kalten Norden gäbe es keine Frauen und ich hätte mir die langen Winternächte nur mit Gedanken an dich vertrieben?”
“Natürlich nicht!”
Aber das war gelogen. So absurd es war, aber sie hatte gedacht, er hätte sie verlassen, weil in seinem Leben außer seiner Medizin nichts anderes Platz hatte.
Ihre Träume hatten nicht übereingestimmt. Sie hatte ein Haus mit einem Park an einer baumgesäumten Straße gewollt, Kinder, und einen Ehemann, für den die Familie an erster Stelle stand. Er aber hatte höhere Ambitionen gehabt, wollte den Menschen am Polarkreis helfen, wo in manchen abgelegenen Gegenden Menschen immer noch starben, weil es
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