Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
Demirbilek«, äußerte sich Herkamer.
»Keine Sorge, ich vergesse Özkan nicht. Doch haben wir bislang keinen Hinweis auf Fremdverschulden. Warten wir ab.«
Plötzlich hörten alle ein Murmeln. Es kam von Vierkant, die, in sich gekehrt, das Vaterunser im Schnelltempo flüsterte. Dann, unter Beobachtung der Kollegen, weitere Danksagungen gen Himmel schickte. Zu welchem Zweck, war weder Demirbilek noch den anderen klar.
»Hätte mir vorher einfallen müssen. Es tut mir leid, wirklich.«
»Um was geht’s denn, Isa?«, fragte Leipold.
Vierkant schüttelte besorgt den Kopf und holte aus der Umhängetasche ihr ledergebundenes Notizbüchlein, das Demirbilek seit ihrem ersten Arbeitstag nicht leiden konnte. »Alles wegen der dummen Mälzerei, die es gar nicht gibt«, schimpfte sie mit sich beim Durchblättern. Bevor sie die Seite fand, die sie suchte, hielt sie inne. »Ich habe eine Bitte, Herr Demirbilek. Falls sich das bewahrheitet, was ich glaube … Es ist nämlich so, ich weiß es wirklich nicht genau, ist nur eine Hoffnung. Eine ganz vage. Falls es sich also bewahrheitet, möchte ich gerne Erzengel Michael eine Kerze stiften.«
Demirbilek schmunzelte. Was konnte er gegen ein Dankeschön für den Schutzpatron der Polizisten einwenden?
»Du eine und ich eine. Versprochen. Die Kirche suchst du aus.«
Umgehend schlug Vierkant die Seite auf und vergewisserte sich in ihren Notizen. Dann holte sie ihr Diensthandy. »Sie haben doch gesagt, ich soll mir das Tablet von der Diplomatin ansehen, das Sie gewissermaßen gefunden haben. Ich war die ganze Nacht dran und habe mir ein paar Sachen herausgeschrieben. Sie wissen schon, herumgestöbert.«
»Jetzt sag schon, Vierkant!«, rief Demirbilek ungeduldig dazwischen.
Mit einer entschuldigenden Geste drückte sie die Wahlwiederholung und verglich den Eintrag im Display mit ihren Notizen. Es schien ihr nicht bewusst zu sein, von den Kollegen genauestens beäugt zu werden, als sie die Faust zu einer Siegerpose ballte.
»Frau Nihal Koca repräsentiert ehrenamtlich eine Fair-Trade-Organisation aus der Türkei.«
»Gut, dass wir das jetzt wissen«, meinte Leipold scherzhaft.
»Auf deren Website gibt es eine Telefonnummer. Die Vorwahl ist identisch mit der des Büroservice der fiktiven Mingabräu-Mälzerei«, machte Vierkant unbeirrt weiter.
Demirbileks Gesicht erhellte sich.
»Wenn du mir jetzt sagst, die Fair-Trade-Organisation handelt mit Getreide, dann umarme ich dich«, drohte Demirbilek.
Vierkant breitete die Arme aus. »Dann kommen Sie her! Sie handeln unter anderem mit Gerste. Braugerste, um genau zu sein.«
61
A m späten Nachmittag ließ das ungleiche Paar den Omnibusbahnhof in der Arnulfstraße hinter sich. Der Biermanager hatte die Reiseroute geplant, wie er alles festlegte, seit Karin Zeil ein zweites Mal in sein Leben getreten war. Die aufgrund der Vorkommnisse geänderte Reiseroute führte sie von München nach Wien, von dort flog eine zeitlich günstige Maschine zu ihrem Zielort Istanbul. Am späten Abend würden sie landen. Mit dem Taxi dauerte es fünfundvierzig Minuten bis zu dem am Taksimplatz gelegenen Hotel.
Zeils Kopf lag an seiner Schulter; sie versuchte einzuschlafen. Obwohl der Bus bis auf den letzten Platz besetzt war, herrschte Ruhe. Die gedämpften Unterhaltungen der Passagiere vermischten sich mit dem Potpourri internationaler Musik aus einem Heer Kopfhörer. Dietl interessierte sich für Musik nicht besonders. Ein Tuscheln aber, das von der Zweierbank einige Reihen vor ihnen zu hören war, erregte seine Aufmerksamkeit. Er beugte sich in den Gang, um zu sehen, wer das war. Der abschätzige Blick, der ihn unerwartet traf, ging von einem Mann aus, der sein Vater sein konnte. Er meinte zu wissen, was dem Alten durch den Kopf ging. Die wohlhabende Dame hatte sich einen jungen Hengst geangelt, hielt ihn großzügig aus, dafür beglückte er sie mit seiner nimmersatten Männlichkeit, machte ihr den Hof und ließ sie spüren, dass sie nicht zum alten Eisen gehörte. Dass es genau andersherum war, glaubte niemand.
Er
war in sie verliebt, und
er
hatte das Geld.
Dietl seufzte und schloss die Augen. Höchstens zwei Tage durfte er in der Türkei für seine Angelegenheiten brauchen, sagte er sich beschwörend. Zwei Tage. Nicht mehr. Dann mussten sie weiterziehen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der hartnäckige türkische Kommissar ihnen wieder auf den Fersen sein würde, auch wenn er in seinem Heimatland keine Befugnisse hatte. Türkische
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