Big Bad City
Seite.
»Boyle’s Landing«, sagte Carella.
»Der 1. September, vor vier Jahren«, sagte Brown.
»Zahltag.«
»Charlie Custers Büro.«
»Was ist da passiert?«
»Wo?« fragte Roselli. »In Custers Büro.«
»Als Sie und Katie in seinem Büro waren.«
»Davey ist mit ihr ins Büro gegangen«, sagte Roselli.
»Ihm zufolge nicht.«
»Dann lügt er.«
»Katie zufolge auch nicht.«
Roselli sah sie an.
»Katie ist tot«, sagte er.
»Sie war aber noch nicht tot, als sie vor vier Jahren ihre Aussage vor Detective Morris Bloom in Calusa gemacht hat.«
»Wie haben Sie …« setzte Roselli an und schloß dann den Mund. »Sal?«
Jetzt sprachen sie ihn mit dem Vornamen an, Schluß mit der Scheiß-Höflichkeit. Du hast uns belogen, Sal, also bist du nicht mehr Mr. Roselli. Du bist Sal, und wir sind Cops, Sal.
Er wandte den Blick ab.
»Wollen Sie uns erzählen, was in dieser Nacht passiert ist, Sal?«
Er drehte sich abrupt wieder zu ihnen um.
»Custer hat sich vollaufen lassen und ist in den Fluß gefallen«, sagte er. »Das ist passiert. Das habe ich Ihnen doch schon alles erzählt.«
»Aber erst bei unserem zweiten Besuch, Sal.«
»Beim ersten Mal haben Sie gar nicht erwähnt, daß er ertrunken ist.«
»Sie haben gesagt, das sei nicht wichtig.«
»Was haben Sie gedacht, als Sie in Custers Büro waren?«
»Allein mit ihm und Katie?«
»Halten Sie das für wichtig?«
»Na schön, ich wollte mich da raushalten, okay?«
»Raushalten?«
»Sie waren wegen des Mordes an Katie hier. Ich wollte da nicht hineingezogen werden, das ist alles.«
»Wir sind noch immer wegen dieses Mordes hier, Sal.«
»Und ich will noch immer nicht hineingezogen werden.«
»Warum haben Sie uns belogen, Sal?«
»Weil ich nichts damit zu tun hatte.«
»Womit?«
»Daß Charlie ertrunken ist.«
»Aber er ist doch ertrunken, nachdem Sie schon weggefahren sind, oder?« Schweigen. »Sal?«
»Er ist ertrunken, nachdem die Band schon längst aufgebrochen war, haben Sie uns das nicht erzählt?«
»Ja.«
»Wie könnten Sie denn dann etwas damit zu tun haben?«
»Ich hatte ja auch nichts damit zu tun.«
»Wieso haben Sie uns dann belogen und gesagt, Sie wären nicht mit in sein Büro gegangen?« Schweigen. »Sal?«
»Warum haben Sie …«
»Na schön, ich habe versucht, Katie zu schützen, okay?«
»Aber Katie ist tot.«
»Sie haben mir erzählt, sie sei eine Nonne.«
»Ja, und?«
»Ich wollte nicht, daß das auf sie zurückfällt.«
» Was sollte nicht auf sie zurückfallen?«
»Ich wollte nicht, daß ihr Ruf befleckt wird.«
»Was soll das heißen?«
»Charlies Tod.«
»Der würde irgendwie ihren Ruf beflecken?«
»Wenn es herauskäme.«
»Wenn was herauskäme?«
»Wenn ich es Ihnen erzählen würde.«
»Wenn Sie uns was erzählen würden?«
»Was passiert ist.«
»Was ist denn passiert, Sal?«
Schweigen.
»Sal?«
»Erzählen Sie es uns, Sal.«
»Was ist passiert, Sal?«
»Sie hat ihn über das Geländer gestoßen«, sagte Roselli.
»Ich kann euch gar nicht sagen, wie toll ihr gewesen seid, Kinder«, sagt Charlie. Er hat zu viel getrunken und spricht undeutlich. Mit einer Flasche Bier in der Hand geht er schwankend zum Safe, bewahrt nur mühsam sein Gleichgewicht. »Upps«, sagt er, kichert glucksend, grinst dann breit als Entschuldigung und zwinkert Katie zu. Er hebt die Flasche zu einem verspäteten Toast. »Auf das nächste Mal«, sagt er, hebt die Flasche an den Mund und trinkt erneut. Sal hofft, daß er nicht ohnmächtig wird, bevor er den Safe geöffnet und sie bezahlt hat.
Charlie trägt einen zerknitterten weißen Leinenanzug, er sieht aus, als wolle er sich um die Rolle von Big Daddy in Süßer Vogel Jugend bewerben. Er kaut auf einer Zigarre, rülpst und nimmt sie aus dem Mund, nur um wieder einen Schluck Bier zu trinken. Schließlich stellt er die Flasche auf den Safe. Es ist ein großer, alter Mosler, der auf dem Boden steht, Charlie hat Schwierigkeiten, vor ihm niederzuknien, zum einen, weil er so fett, zum anderen, weil er so betrunken ist. Sal macht sich jetzt wirklich Sorgen, daß sie bis zum Morgen warten müssen, um ihre Gage zu bekommen. Wie will Charlie sich an die Kombination erinnern, geschweige denn die Ziffern auf der Scheibe sehen können?
Hier im Büro ist es unerträglich heiß. Die Klimaanlage am Fenster arbeitet, aber nur minimal, und in der Hoffnung, daß eine Brise Erleichterung verschafft, hat Charlie die Glastür zur Veranda aufgerissen. Draußen erklingen die
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