Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt
verstellen.
»Lassen Sie das, das mache ich selbst!«, sagte er mit ausgestreckter Hand. »Was ist das?«
»Ein Anti-Virus-Programm namens Cassandra, um diese Schweinerei zu entdecken, die wir Spezialisten ›Ebola-Troja‹ nennen; eine interne Bezeichnung, weil man die Herkunft noch nicht kennt. Man-420
che Urheberrechte gehen eben verloren.«
Der junge Mann mit seinem geschorenen Schädel schob die Diskette zunächst ein und unterzog sie einem strengen Prüfprogramm.
D'Altamiranda war herangetreten und nickte mit dem Kopf. Thierry begriff mit einem gewissen Unbehagen, dass seine angebliche Gleichgültigkeit allen materiellen Erfordernissen gegenüber nichts als Au-genwischerei war. »Der alte Knacker braucht keinerlei Erläuterungen. Der weiß haargenau, wozu diese Anlage fähig ist und wie man sich ihrer bedient.«
»Und weiter?«, fragte Pondichéry, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass von dieser fremden Diskette keine Gefahr drohte.
»Wähl fünfzehn beliebige Datensätze aus. Sie müssen lediglich während der letzten drei Monate benutzt oder verändert worden sein.«
Die langen braunen Finger mit ihren gepflegten Nägeln glitten behände über die Eingabetastatur.
»Und nun?«
»Gleich sie ab mit Cassandra.«
Auf dem Bildschirm öffnete sich ein Fenster mit der Überschrift
›Diagnose‹. Dann wurden nacheinander die Kennwörter der ausgewählten Datensätze eingeblendet. Bei dreizehn davon erschien anschließend der Vermerk: ›Verseucht durch Ebola-Troja‹. Es herrschte beklommenes Schweigen. Der Geweihte konnte seine Augen nicht vom Bildschirm losreißen und war so versteinert, als habe ihn der Blick der Medusa getroffen.
»Es ist wohl nicht zu leugnen«, sagte El Guía und fuhr sich ein weiteres Mal durch das Haar. »Ich hatte das vorhin nicht recht verstanden, aber ›Troja‹ dürfte in diesem Zusammenhang ja wohl klar sein.«
»Mit dem Unterschied, dass die ›Griechen‹ im Bauch dieses Tro-janischen Pferdes hier tief und fest schlafen! Sanft wie die Lämmer, bis man ihnen auf die Zehen tritt, um sie aufzuwecken!«
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»Und was nun?«, fragte Argos, seinerseits hinzutretend.
»Nun, der erste Teil des Doppelnamens sagt ja wohl alles: ›Ebola‹, ein tödlicher Virus. Ihr ganzes Netz ist total verseucht! Jean-Louis zeigte sich überzeugt davon, dass die Leute, die Ihnen schaden wollen, nichts vor der Großen Versammlung am Wochenende unternehmen werden. Es scheint ja wohl eine ›Enthüllung‹ vorgesehen zu sein, die über ein digitales Video in verschiedene Hauptstädte übertragen werden soll… Und das will man vermutlich sabotieren!«
»Unser Prüfprogramm ist ganz neu und auf dem höchsten Stan-dard«, wandte, seine Ruhe bewahrend, der Patriarch ein. »Wie können Sie sein Versagen erklären?«
Michel Delanoy zog eine Grimasse, um anzudeuten, dass eine solche Frage weit leichter gestellt als beantwortet sei. Auf einen Nenner gebracht, müsse man sich das ungefähr so vorstellen, dass die bisher bekannten Viren die Programme durch Hinzufügungen verändern würden. Bei Ebola-Troja sei das hingegen nicht der Fall: Dieser Virus verstecke sich wahllos in gewissen Befehlen, die er jeweils einzeln nicht beeinträchtige, auf die er aber dann einwirke, wenn sie in einer bestimmten Reihenfolge vorkämen. Es sei sozusagen eine Anwendung der Theorie von den nicht zusammenhängenden Strukturen.
»Wissen Sie, was geschieht, wenn man das Chaos einem Ord-nungsprinzip unterwirft?«
D'Altamiranda zuckte zusammen, antwortete jedoch nicht. Zum ersten Mal seit ihrer Begegnung schien er seine Haltung zu verlieren. Thierry war verblüfft über seine Reaktion, die er so nicht erwartet hätte, als er seine Frage stellte.
Pondichéry schüttelte sich, als ob er aus einem Trancezustand erwache. Er hob den Kopf und maß mit einem flammenden Blick diesen Fremden, der ihn vor El Guía Supremo und Argos hatte sein Gesicht verlieren lassen.
»Sie werden mir das zeigen, um sie daran zu hindern!«
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Michel Delanoy antwortete mit leicht süffisantem Lächeln, dafür werde er schließlich bezahlt.
Er war nun seit vierundzwanzig Stunden an Ort und Stelle. Man hatte ihm ein abgeschlossenes Büro zugeteilt, in dem er für sich allein während seines Aufenthalts hier arbeiten konnte. Die Ausrüstung, die man ihm auf sein Verlangen hin zur Verfügung gestellt hatte, entsprach (zumindest größtenteils) jener, die ihm bei der GRC zur Verfügung stand. Der Zugang in das Netz der Organisation war
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