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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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seine Ausführungen sofort, als er die Gestalt in der Türöffnung sah, sprang heftig bewegt auf, entschuldigte sich bei sei-467

    ner Zuhörerschaft und stürzte, begeistert in die Hände klatschend, auf Laurence zu.
    »Große, sehr große und treue Freundin! Ich wusste es doch!«, rief er, sie an beiden Händen fassend. »Ich bin ja ganz verwirrt von Ihrem entzückenden Anblick! Kommen Sie, ich lade Sie zu einem Cappuccino ein und erkläre Ihnen dabei alles.«
    Neben den Aufzügen war ein kleiner Stand, an dem man neben Glückwunschkarten und Blumen auch kalte und warme Getränke
    ›zum sofortigen Verzehr‹ bekommen konnte; drei kleine runde Tische standen unmittelbar daneben. Fjodor Gregorowitsch zog einen Stuhl für Laurence heran und verneigte sich mit der gemessenen Würde eines Oberkellners.
    »Ich hatte doch gestern Abend noch angerufen«, versicherte sie, noch immer ungläubig staunend. »Und man sagte mir …«
    Er unterbrach sie mit einem heiteren Gesichtsausdruck, so als ob er sie davon abhalten wolle, ihm einen Witz zu erzählen, dessen Pointe er längst kannte. Heute früh sei er ›frisch wie der junge Morgen‹ erwacht, ohne eine Ahnung davon zu haben, wo er eigentlich sei. Und als dann die Krankenschwester an sein Bett getreten sei…
    »Nichts mehr von Gefühlsmagma wie ein Schlag in den Solarplexus!«, schrie er und setzte sich mit strahlendem Gesicht neben sie. »Überwunden die Ansteckung durch diese unzähligen schlimmen Affekte! Vertrieben auch der Fluch, der so schwer auf den Schultern des armen Syssojew lastete! Keine Notwendigkeit mehr für die grausame Distanz, die erforderlich war für die Entlastung der Seele durch die große Entlüftungsgymnastik!«
    »Muss ich dem entnehmen, dass Sie auch nicht mehr länger fähig sind … ›Schwamm zu sein‹?«
    Der Unterton von Verwirrung und Enttäuschung in Laurences Stimme war Fjodor Gregorowitsch nicht entgangen. Er stieß einen langen, tiefen Seufzer aus und legte sein rundes Gesicht in zer-knirschte Falten. Er erläuterte ihr, dass er seine ›humanistische Psy-468

    chotherapie‹ zu einer Zeit ausgeübt habe, als die sowjetischen Psychiater auf völlig andere Behandlungsmethoden gesetzt hätten. Dabei habe er sich auf seine Intuition und seine stark ausgeprägte Fä-
    higkeit verlassen, sich in seine Patienten hineinzuversetzen. Aber nach seinem Exil in Gorki und wohl aufgrund der Behandlung, der er dort unterzogen worden sei, hätte sich diese natürliche Gabe wie ein Krebsgeschwür so stark weiterentwickelt, dass er unter ihrer Last fast zusammengebrochen wäre.
    »Die Liebe zur Menschheit wird zur schrecklichen Bedrohung, wenn die Abwehrkräfte der Seele schwinden«, fügte er hinzu, sich die Stirn abwischend. »Wieso bin ich plötzlich bereit, mich gegen die vampirische Vergiftung von außen zu wehren? Ich kann es nicht sagen, aber ich empfinde dieses große Geheimnis als Glück und freue mich jede Sekunde darüber. Für mich sehe ich nun in den Sternen ein weiter reichendes, verbessertes Fernrohr.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    Die Lagerstein bezahle ihm ja pünktlich seine Honorare, aber trotzdem hätte er so seine Mühe gehabt, mit seinem Einkommen auszukommen. Verwunderlich sei das natürlich auch wieder nicht gewesen, nachdem er neun von zehn möglichen Klienten nach dem ersten Treffen abgewiesen habe. Wenn sich nun seine Heilung be-stätige – und er wolle darüber mit Professor Montandon bei einem für den frühen Nachmittag anberaumten Gespräch reden –, könne er sich künftig mit wesentlich mehr Patienten beschäftigen und damit seine Einkünfte erhöhen, um etwas mehr Geld für sein astro-nomisches Steckenpferd erübrigen zu können.
    »Um in diesem Beruf erfolgreich zu sein, muss man ja auch sein Auftreten und das ganze Drumherum beachten. Und ich hatte immer wieder den Verdacht, dass ich wohl nicht auf Anhieb Vertrauen einflöße. Teresa behauptet sogar, dass Leute, die mich nicht kennen, mich für einen Spinner halten! Sie hält ja mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg, wie Sie selbst schon gesagt haben.«
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    »Das stimmt zwar sicher«, stimmte sie zu, »aber gesagt habe ich es nie.«
    »Dann war es vielleicht Kummerseele. Und da wir gerade von ihm reden: Sie haben sich doch um ihn gekümmert, nicht wahr?«
    »Ich habe eine Freundin, Monique Schultz, gebeten, sich während meiner Abwesenheit seiner anzunehmen. Und auch die Vögel zu versorgen.«
    Er faltete die Hände und blickte sie mit bewundernder

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