Birne sucht Helene
sie sich niemals die Zeit genommen, Andys harte Schale zu knacken, um zum karamellsüßen Kern zu gelangen.
»Ja und nein«, antwortete der frisch Vergebene. »Ich hab die Liebe meines Lebens gefunden. Das heißt, eigentlich hat die Liebe meines Lebens mich gefunden, denn ich war ja zu blöd dazu. Deswegen habt ihr mich alle – mit Ausnahme von Ömer natürlich – in letzter Zeit so wenig zu Gesicht bekommen. Ich hatte einfach Besseres zu tun.«
Hämisches Lachen. Fish-Mac ließ sich zu einer eindeutigen Geste hinreißen. »Du hast ja auch einiges nachzuholen!«
»Wenn ihr wüsstet!«
Paul wollte sie endlich sehen – ob sie eine Rockerbraut war? Oderein Mauerblümchen, das sich einen starken Mann gesucht hat? Paul hatte nie darüber nachgedacht, welche Frau zu Andy passen würde. Es gab auch gar keinen Anlass dazu, denn Andy hatte nie eine Freundin gehabt. Klar, er schwärmte von Hollywood-Schönheiten, die der liebe Gott – und der Schönheitschirurg – reichhaltig ausgestattet hatten. Aber das zählte ja nicht. Paul hätte die Zeit liebend gern auf schnellen Vorlauf gestellt. Gleich würde Andy sicher ein Bild der Auserwählten rumgehen lassen.
»Jeden Augenblick müsste mein Liebesglück da sein. Benehmt euch bitte. Keine dummen Sprüche oder so.«
»Warum, ist sie so hässlich?« China zog eine Fratze.
»Ganz im Gegenteil.«
Ein Schlüssel war zu hören, der im Schloss gedreht wurde.
»Wow, sie hat sogar schon einen Schlüssel.« Fish-Mac war ehrlich beeindruckt.
»Zu meiner Wohnung und zu meinem Herzen.«
Tronje hob anerkennend den Daumen. »Du bist ja ein richtiger Poet geworden. Oder kiffst du wieder?«
Zu einer Antwort kam es nicht mehr, denn plötzlich stand jemand im Wohnzimmer.
»Hallo, ich bin der Löschi.«
Keine Reaktion. Wann tauchte denn jetzt Andys Freundin auf? Und wo kam dieser Typ her? Der war Paul vorher gar nicht aufgefallen. Dann machte es Klick. Löschi? Elis Löschi!
Noch bevor alle Puzzleteile an ihrem Platz waren, küssten Andy und Löschi sich. Keiner der Partygäste bewegte sich, so als wären sie in Aspik eingelegt worden. Fish-Mac sah jetzt aus, als hätte ihm jemand das Hirn aus der Nase gezogen. China zapfte gerade ein Bier. Er drehte den Hahn nicht zu. Es kam immer mehr heraus und lief schließlich über den Rand seiner Kölschstange. Paul war der Erste, der sich wieder regte. Er klatschte und johlte. Dann stand er auf und umarmte die beiden.
»Ichfreu mich für euch.« Er wandte sich zu Löschi. »Behandel ihn gut, ja? Ich hab ihn extra für dich gut in Schuss gehalten!«
»Und dafür bin ich dir noch was schuldig. Aber du hättest ruhig dafür sorgen können, dass er ein bisschen ordentlicher ist.«
»Ich wollte dir noch Möglichkeiten zur eigenen Gestaltung lassen.«
Jetzt kamen auch die anderen zum Anstoßen. Nur China erwachte nicht aus seiner Schockstarre – bis Ömer sich um ihn kümmerte. Der, wie sich später herausstellte, zu Löschis Freundeskreis gehörte. Köln war halt ein großes Dorf. Ein großes, rosa Dorf.
Es war viele Stunden, einige Whiskeys und etliche verliebte Blicke zwischen Andy und Löschi später, als Paul endlich Gelegenheit hatte, ganz in Ruhe mit seinem alten Kumpel zu sprechen. Es war wie immer und doch ganz anders. Als hätte Andy sich von einer Raupe in einen Schmetterling verwandelt. Mit Rocker-Kluft.
»Warum hast du mir nichts davon erzählt? Wir sind doch die besten Freunde! In dem südafrikanischen Restaurant, da wolltest du dich mit ihm treffen, oder?«
»Und dann hab ich ihn lieber draußen abgefangen. Ich hatte halt Schiss davor, wie du reagieren würdest. Jetzt bin ich echt froh, dass du so cool damit umgehst.« Er riss eine neue Tüte Chips auf. »Mhm, Kräuter der Provence.«
»Jetzt glaub ich wirklich, dass du schwul bist.«
Andy lachte. »Klingt immer noch komisch, schwul zu sein. Aber irgendwie hab ich es immer gespürt. Ohne Löschi hätte ich es trotzdem nie begriffen.« Er nahm Paul in den Arm. »Ich fand ihn vom ersten Moment an heiß. Er hat mich mit Büchern versorgt und mich zu seinem Projekt gemacht. Wir sind in Museen gegangen, hörst du? In Museen ! Und zu Konzerten von so schwulen Künstlern, Rufus Wainwright, Pet Shop Boys, Marianne Rosenberg – die fand ich alle total scheiße. Aber als ich Löschi gesehen hab, wie er dazu abgegangen ist, so wunderschön sah erdabei aus, da hab ich alle Schutzschirme fallen lassen und hab einfach Spaß gehabt. Kannst du fassen, dass wir ein Paar sind? Ich
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