Bis an das Ende der Nacht (German Edition)
sie gelegt, bis es sich anfühlt, als ob die Kälte ihres Körpers in Wellen durch das kratzige Nylon emporsteigt. Als ob Mel ihn wegstoßen will.
Er überlegt, ihren Personalausweis dazulassen, neben ihr auf der Matratze – aber das bringt er nicht über sich.
Scheiß auf sie, Scheiß auf ihre ganzen Schwachsinnsideen. Er besorgt jetzt Benzin, und dann kommt er zurück und holt sie.
Er drückt sein Kinn in den Pullover und geht hinaus.
VIII.
Den ganzen nächsten Tag feierten Brad und Mel: schlenderten durch die City und redeten von der Wohnung, in der sie wohnen, dem Leben, das sie zusammen haben würden.
Am Nachmittag gingen sie hinunter ans Wasser. Für Anfang Oktober war das Wetter geradezu unanständig schön: warm, sommerlich fast, mit einer angenehmen Brise vom See her. Ganz Chicago schien mit ihnen unterwegs zu sein, und für Brad sahen alle so aus, wie er sich fühlte: völlig von den Socken vor Glück. Eine lange Zeit bummelten sie am Ufer entlang, und dann setzten sie sich auf eine Bank vor dem Planetarium – ein Lieblingsplatz von Mel – und schauten auf die Schaumkronen, die der Wind vor sich hertrieb.
Mel, ihr weißes Gesicht der Sonne entgegengereckt, erzählte ihm von Ober-Michigan, schilderte ihm zum wiederholten Mal die Fischerhütte, zu der sie früher immer gefahren waren. Wenn sie allein dort war, sagte sie, bei Wetter wie heute, schien es ihr der schönste Platz auf der Welt.
Ich wünschte bloß, ich wäre nie mit diesem Arschloch dagewesen, sagte sie, als sie den Pier verließen.
Da haben wir was gemeinsam, sagte er.
Ich wünschte, ich wäre mit dir dagewesen, fuhr sie fort. Verstehst du? Ich würde so gern mein Gedächtnis einfach ausleeren. Ihn durch dich ersetzen. Ich wäre so glücklich gewesen.
Sie schlang ihm den Arm um die Taille.
Wir hätten es so nett da, sagte sie. Nur du und ich. Hier sind wir nie richtig allein.
Brad sah die Leute an, die ihnen auswichen – die Gehsteige waren so rappelvoll, dass sie beide kaum nebeneinander Platz hatten, und wenn jemand Notiz nahm von ihnen in ihrer Verliebtheit, dann nur, um verärgert zu murren: Passt doch auf.
Und da plötzlich – mitten im Gehen – kam ihm die Idee. Sie brach über ihn herein wie noch keine Idee vor ihr, außer vielleicht der von letzter Nacht, als er Mel geweckt und ihr verkündet hatte, dass er mit ihr zusammenleben wollte.
Er packte Mel beim Arm und sagte: Dann machen wir’s halt. Nur du und ich.
Was?, sagte sie. Was machen wir?
Fahren wir in die Hütte.
Sie warf ihm einen Blick zu. Hmm. Super Idee. Nur sind es leider ein paar hundert Meilen von hier aus. Mindestens.
Ich mein das ganz ernst. Brad ging rückwärts vor ihr her.
Sie lachte ihm entgegen. So weit fährt die L nicht. Aber klar, wenn wir jetzt gleich loslaufen …
Mel, sagte er. Ich will da wirklich hin. Ich will mit dir allein sein.
Sie zog einen kleinen Flunsch, halb belustigt, halb verständnisvoll. Du machst mir langsam Sorgen, Buddy. Alles in Ordnung mit dir?
Und ganz plötzlich traute er sich.
Mel, sagte er, verdammt, ich kann kaum noch denken vor Liebe.
Er hätte sich gewünscht, den Ausdruck auf ihrem Gesicht photographieren zu können.
Du liebst mich?
Ja, sagte er. Ich liebe dich, Mel.
Sie flog ihm an den Hals und drückte ihn, bis er Angst bekam, sie könnte sich die Arme ausrenken.
Er sagte: Ich liebe dich, und ich will mit dir zusammensein, und ich will irgendwas machen – ich weiß auch nicht – irgendwas Verrücktes. Mit dir. Also warum nicht? Fahren wir zu deiner Hütte.
Na gut, sagte sie. Er glaubte so etwas wie ein Schniefen zu hören. Das ist ganz prima, wirklich, aber wir bräuchten dazu ein Auto. Was du so wenig hast wie ich.
Wir nehmen einfach Lous Pick-up.
Du willst partout in den Knast zurück, oder?
Nein, sagte er. Aber ich weiß zufällig, dass mit der Zulassung was nicht stimmt. Lou wird den Teufel tun und die Kiste als gestohlen melden. Außerdem kann er mich mal.
Mel sah ihn an, abwägend.
Wir haben das Wochenende, sagte er. Und am Montag können wir uns beide krankmelden. Mein Bewährungshelfer hat gerade erst angerufen, der probiert’s frühestens, was weiß ich, nächsten Donnerstag wieder …
Er wusste, damit hatte er sie. Er kannte sie – sie wollte das hier. Und sie wollte, dass der Vorschlag von ihm kam, sie hatte es die ganze Zeit schon gewollt. Jetzt ihr Gesicht zu beobachten, das Lächeln, das immer breiter wurde, die Gedanken, die unter und hinter dem Lächeln arbeiteten –
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