Bis ans Ende der Welt (German Edition)
hier zum Kochen verkauft we r den. So wurden wir beinahe auch noch satt und trunken, während draußen in der Du n kelheit der Regen härter und härter gegen die sündige Erde schlug und nicht aufhörte, bis es Morgen wurde. Wir konnten dem getrost zuhören, jeder in se i nem eigenen Zimmer, im großen französischen Bett, mit eigenem Bad und der Heizung an.
Es war ein guter Ausgang, und doch sah es einige Stunden zuvor so aus, daß wir die Nacht irgendwo in einer Höhle, sollten wir überhaupt welche finden, verbringen müssen. Der Herr hat uns nicht verlassen. Er behütet die Schritte se i ner Frommen, doch die Frevler verstummen in der Finsternis; denn der Mensch ist nicht stark aus eigener Kraft. [30] Ich versuchte ihm zu danken, aber er sauste noch durch die Berge, ließ überall Wasser fallen und erschreckte das Volk mit Blitz und Donner. Erst kurz vor der Dämmerung sackte er den Wind ein, en t fachte die Sterne und schickte den Mond durch das Tal.
Le Puy-en-Velay, km 1304
In der Frühe jedoch war alles nur naß, neblig und kalt, daß es einen schauderte. Bis Queyrières lief es sich auf dem Asphalt immerhin noch gut in Sandalen, d a nach aber stürzte der Camino in ein enges, klitschiges Tal hinein und erforderte wieder Bergschuhe. Da war alles verworren und gar zum Fürchten, alles von e i nem wilden Dickicht überwuchert. Schon hier mußte ich ständig auf Rebekka warten. Sie verbrauchte gestern offenbar alle ihre Kräfte, und gegessen haben wir auch kaum etwas, um sie aufzufrischen. Sie war allerdings sehr tapfer, kla g te und nervte nicht. Ich an ihrer Stelle hätte es vielleicht getan. Immerhin ging es bergabwärts, und bis elf Uhr schlugen wir uns dann recht anständig bis nach Saint-Julien-Chapteuil durch, wo wir als erstes in einer Konditorei zum versp ä teten Frühstück einkehrten und ein paar Grundnahrungsmittel bunkerten. Nach einer Stunde hielt ich die Krise für überwunden und drängte zum Aufbruch, als Rebekka gerade den Entschluß zu bleiben faßte. Ich begleitete sie noch zur He r berge in der Hoffnung, dort einen schönen Stempel zu ergattern, aber es war wie üblich niemand da. Die letzten Nachtgäste trafen wir voller Tatdrang noch auf dem Hof. Damit sich keiner vor der Bezahlung drückte, stempelten die Verwa l ter der kommunalen Gîtes die Pilgerbücher häufig erst beim Kassieren der L o gis. Dazu brauchten sie erst gegen Abend kommen, und wer auf sein Pilgerbuch etwas hielt, hatte da zu sein. Das waren dann wirklich alle. Rebekka also hatte die Herberge um diese frühe Stunde ganz für sich allein, von den Putzfrauen vielleicht abgesehen. Es hatte keinen Sinn zu warten. Ich hatte noch siebzehn Kilometer zu marschieren.
Etwas mißmutig setzte ich den Weg allein fort. Nach ein paar Tagen gewöhnt man sich an den Begleiter, daß man ihn vermißt. Begegnungen und Freun d schaften auf dem Camino sind tiefer, nachhaltiger als im normalen Leben. Auch machte sich meine Zehe wieder bemerkbar. Der Weg ist schon seit einer Weile rauher geworden, und ich mußte immer wieder das Schuhwerk wechseln. Rein in die Schuhe, raus aus den Schuhen. Das nervte und hielt auf. Auf den Abst e cher zum Berg Montjoie mußte ich ganz verzichten, weil der Pfad für meine a n geschlagene Kondition einfach zu steil war. Von diesem Berg hätte ich bis nach Le Puy blicken können, wie es seit eh und je unter den Pilgern Tradition war. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, die Stadt bald von innen zu sehen. In Saint-Germain Laprade besserte ich den Trost mit einer Tüte Milch auf. Es fing gerade wieder an zu regnen, und ich redete mir ein, nach der Milchpause werde es wieder aufhören. Es hörte nicht auf, aber da kam gerade Jörg der Aussteiger, in großer Konversation mit einem Einheimischen vertieft, um die Ecke. Als J u gendlicher profitierte er vom deutsch-französischen Jugendaustausch und sprach gutes, wenn auch etwas langsames Französisch. Eine förderliche Sache dieser Austausch, wird aber kaum noch fortgesetzt. Heute möchte man sich bitte in Denglisch verständigen. Ich erbot ihm meine Gesellschaft. Aber er sagte, er g e he „mit diesem Herrn hier“. Komisch, denn er hat sich von ihm gerade vera b schiedet. Einige Kilometer folgte ich ihm nach. Erst im strömenden Regen auf einer dichtbefahrenen Landstraße, dann durch nasse Wiesen und matschige, brombeerbewachsene Hohlwege. Sie wären nicht so matschig, wären da nicht zuvor ein paar Cross-Motorräder durchgefahren. In den Schlammlöchern ve r sank
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