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Bis auf die Haut

Bis auf die Haut

Titel: Bis auf die Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikki Gemmell
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    Im Bett, natürlich:
    Auf einem fleckigen Futon. Im Bett einer Schwester, das nach Gras roch. Auf einer Matratze auf einem Dachboden hoch wie ein Adlerhorst. Ein Wohnwagenbett, das etwas feucht war. Das spartanische Gästebett deiner Schwiegereltern, dessen Leintücher so rutschig waren, dass du heruntergefallen bist. Ein herrlich breites Hotelbett in Hongkong. Zwei Einzelmatratzen, die durch einen Reißverschluss verbunden waren, du hattest das Gefühl, er würde jeden Moment aufreißen und die Matratzen würden dich verschlingen.
    Und nicht im Bett. Ein Flokatiteppich, der dir auf der Haut kratzte. Eine Weide mit neugierigen Kühen. Ein Pool um drei Uhr morgens, als dich das Wasser unter einem Zirkuszelt voller Sterne wiegte. Die große Stille, als ihr gevögelt habt, daran erinnerst du dich noch ganz deutlich, da war nur das leise Plätschern des Wassers zu hören, als du und Cole einander wortlos umklammert hieltet, ganz hingegeben an die Intensität der Berührung und an die Liebkosungen des Wassers.
    Ein Mietauto. Sand. Der Küchentisch einer unverheirateten Tante.
    Sämtliche Klischees. In der Technik waren sich die Männer bemerkenswert ähnlich, und doch kannst du dich genau erinnern, wie anders jeder Fick war, auch wenn du ihre Namen längst vergessen hast. An die unangenehmen Erfahrungen erinnerst du dich lebhafter als an die angenehmen, du erinnerst dich genau, woran es jeweils scheiterte. Und an deine Enttäuschung, dass es nicht besser war, als du anfangs gehofft hattest, während deine Kleider von dir fielen. Du hast deine Enttäuschung aber immer verborgen.
    Und das war das Schlimme daran.

68. Lektion April ist der hoffnungsfrohe Monat für Arbeiten im Garten
    Du gehst wieder in die Bibliothek, besuchst sie immer wieder. Du streifst durch das kühne Eisenskelett eines schönen Gebäudes, das
dir
genauso gehört wie ihm. Nur weil er herkommt, heißt das noch lange nicht, dass du nicht herkommen kannst, und du schlüpfst aus deinen Schuhen und wölbst deine Fußsohlen und gehst in Strümpfen weiter, deine Schritte ein dumpfes Getrommel auf den Gittern. Leuchtstoffröhren streuen hier und dort Lichtflitter aus, über und unter dir sitzen oder hocken Leser in der Abgeschiedenheit ihrer kleinen Lichtinseln. Die alten Holztische am Ende mancher Gänge erinnern dich an die Parkbuchten auf der Autobahn, überall der berauschende Geruch von Papier und Leder, von wartenden Worten. Endlich beginnst du mit deinem Buch. Um Fragen zu stellen:
    Warum tun sich Frauen so schwer, sich selbst Freude zu verschaffen, warum konzentrieren sie sich so sehr auf das Vergnügen aller anderen auf Kosten ihres eigenen?
    Was passiert, wenn sie versuchen, ihren Wünschen selbstsüchtig nachzugehen?
    Doch dann ein Lichtteich in der Philologie, an einem jubelnden Frühlingstag.
    Dein Herz überschlägt sich.
    Er sitzt am Boden, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, liest und macht sich Notizen in einem Heft, das neben ihm liegt. Du gehst nicht zu ihm hin, sondern siehst ihn nur an: seinen Nacken, seine Haare, die ihm in die Augen fallen, seine Hand, die jenen Füller hält, der beim Öffnen so schön klickt wie ein Lippenstift, seine Uhr aus den vierziger Jahren mit dem großen, fleckigen Ziffernblatt.
    Etwas bringt ihn dazu hochzusehen. Eure Blicke begegnen sich.
    Sein Lächeln wie ein Regenschirm, den eine Böe umstülpt.
    Du erwiderst es.
    Ihr sitzt beide in der Falle, das siehst du, sein Gesicht verrät es dir.

69. Lektion Sprich stets deine Gebete
    Ein neues Café. Er hält quer über dem Tisch deine Hand gefasst, legt die seine darüber wie einen Schildkrötenpanzer und lässt dich nicht mehr los, als wolle er euren Kontakt, der nun endlich hergestellt ist, ja nicht mehr abreißen lassen. Vor dir steht eine Tasse Tee; er ist kalt geworden, die milchigen, fleckigen Schaumreste darauf sind zu einer festen Schicht erstarrt.
    Gabriel, bist du noch Jungfrau?, fragst du geradeheraus.
    Ja.
    Einfach so. Dass diese Antwort so schnell kommt, hättest du nicht erwartet. Sein Lächeln besitzt die Ehrlichkeit des Wüstenhimmels, es ist, als hätte er noch nie jemandem dieses Geständnis gemacht, und nun die Erleichterung, diese unendliche Erleichterung, dass es endlich ausgesprochen ist. Ja, wiederholt er noch einmal, ja, und seine Finger streichen abwesend über deine Knöchel, unablässig. Und dann sagt er, ich glaube, ich brauche deine Hilfe, ich habe Tag und Nacht daran gedacht, und du nickst nur und sagst

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