Bis aufs Blut - Thriller
menschenleer an. Irgendwo lief ein Fernseher oder Radio. Er berührte den Wasserkocher, aber er war kalt. Durch die Küche gelangte er in einen L-förmigen Flur. Am anderen Ende des Flurs war die eigentliche Haustür, die aber offenbar nicht viel benutzt wurde: Jemand hatte gegen die Zugluft unten einen Teppich dagegengeschoben. Auf halbem Weg zur Tür führte eine Treppe nach oben. Aber die Geräusche drangen durch eine der Türen, die vom Flur abgingen. Es gab zwei davon. Die erste stand weit offen und führte in ein leeres Esszimmer. Drei Stühle standen um einen viereckigen Tisch. Die zweite war geschlossen und führte vermutlich ins Wohnzimmer. Hoffers Finger krampften sich um den Griff seiner Pistole. Harrison konnte nicht geflohen sein: Wo hätte er schon hinsollen? Es gab nur noch die Scheunen und jenseits davon die Felder. Wohl aber konnte er sich irgendwo versteckt haben. Hoffer berührte die Türklinke, drückte sie dann hinunter und ließ die Tür aufschwingen.
Max Harrison war zu Hackfleisch geschlagen worden.
Sein Gesicht war fast kein Gesicht mehr - nur noch eine Sauerei von Blut, Gerinnseln und Gewebe, als hätte ein Kind in rotem Obst gemanscht. Barney hatte ihm erzählt, dass Harrison an Gesichtskrebs litt. Auf dem Fußboden lag eine aus weißem Plastik ausgeschnittene Halbmaske, und in einer von Harrisons Wangen klaffte ein tiefes, schwärzliches Loch. Klar, warum sollte man einen Sterbenden nicht zusammenschlagen? In Hoffer wallte Wut auf, aber andererseits war Harrison nicht sein Problem.
Er saß mitten im Zimmer auf einem Esstischstuhl. Seine Hände waren hinter seinem Rücken an die Lehne gefesselt, seine Fußknöchel an die Stuhlbeine.
»Hey, sind Sie Max Harrison?«, fragte Hoffer.
Auch das Zimmer war ein einziger Saustall. Es hatte ein Kampf stattgefunden, oder jemand hatte sich gründlich umgesehen - wahrscheinlich beides. Auf dem Boden lagen alle möglichen zerbrochenen Gegenstände und Glasscherben. Hoffer ging zum Gefesselten, um nach seinem Puls zu fühlen. Als er den Körper berührte, rollte der Kopf vom Rumpf und fiel auf den Teppich.
»Scheiße, verdammte!«, brüllte Hoffer und wandte sich halb ab, um Tee, Kuchen und Scones auszukotzen. Er spuckte und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Verfluchter Mist«, sagte er, »das Essen ist nicht billig gewesen.« Er hustete ein paarmal und wandte sich wieder zur kopflosen Leiche. Er war kein Pathologe, aber während seiner Zeit bei der Truppe hatte er schon bei der einen oder anderen Autopsie zugeschaut. Dem Mann war die Kehle so tief und gründlich durchgeschnitten worden, dass praktisch nichts mehr den Kopf festhielt. Wer immer Harrison so zurückgelassen hatte, wusste, was passieren würde, wenn jemand früher oder später den Leichnam berührte.
»Netter Einfall, Kerl«, murmelte Hoffer. Da fiel ihm sein Taschenmesser ein: Wär keine gute Idee gewesen, sich hier von der Polizei erwischen zu lassen. Jetzt hieß es schnell nachdenken. Er warf noch einen Blick auf die Leiche und sah sich dann im Zimmer um. Konnte es das Werk des D-Man gewesen sein? Vielleicht hatte der Waffenhändler ihn gelinkt, und der D-Man hatte ihn ermordet.
Das erste Schlafzimmer, das Hoffer betrat, gehörte einem Mann. Es waren nirgendwo Frauensachen zu sehen, im Kleiderschrank ebenfalls Fehlanzeige. Aber es hingen jede Menge gerahmte Fotos an den Wänden, größtenteils von einem Mann, bei dem es sich um Max Harrison gehandelt haben dürfte, und einem Mädchen, das Hoffer für dessen Tochter hielt. Er entdeckte Babyfotos von ihr und welche von später, auf denen sie größer und älter war, bis schätzungsweise Anfang zwanzig. Sah gar nicht übel aus. Blond, vorstehende Wangenknochen, schöne Augen.
Es gab noch zwei weitere Schlafzimmer, eins davon offensichtlich ein Gästezimmer, was Hoffer nicht davon abhielt, es nach Waffen zu durchsuchen. Das andere gehörte einer Frau - einer jungen Frau, nach den Illustrierten und Schminksachen und den paar herumliegenden Musikkassetten zu urteilen.
Dann wohnte Harrisons Tochter also zu Hause …
»Hey!«, sagte Hoffer und setzte sich aufs Bett. »Moment mal.« Er dachte an die Beschreibung, die man ihm von »DC Harris« gegeben hatte, der Komplizin des D-Man. Er ging zurück in Harrisons Schlafzimmer und nahm das am neuesten aussehende Foto von der Wand. Zu ähnlich, um ein Zufall zu sein.
»Verdammte Scheiße«, sagte er leise.
Das änderte die Sachlage. Denn wenn der D-Man Harrison getötet
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