Bis die Daemmerung uns scheidet
dachte zuerst, sie hätte ihre Aufmerksamkeit erregt, aber nein – die grauen Augen starrten etwas anderes an.
»Sie haben ihre Aktionen an einen anderen Ort verlagert«, sagte sie. »Und wir haben keine Möglichkeit herauszufinden, wo sie sich im Moment aufhalten. Aber wir werden sie finden und dann … wird es keine Ausnahmen geben. Keine einzige.«
»Aber …«
»Keine einzige«, wiederholte Amelie. Oliver nickte. »Sie haben zugelassen, dass Menschen in der Lage sind, auf Augenhöhe mit Vampiren zu kämpfen, und die Menschen sind uns zahlenmäßig überlegen. Sie werden uns mit ihrer Hilfe zerstören, selbst wenn man die Gefahr, dass wir entdeckt werden, nicht mit einrechnet. Das muss aufhören. Auf der Stelle.«
Und das, dachte Claire elend, meinte sie genauso, wie sie es sagte.
Es gab nur eine Chance: Sie musste sie zuerst finden und Shane da rausholen.
Eve wartete an der Straße neben ihrem Auto, als die Limousine Claire zu Hause absetzte. Amelie hatte kein Wort zu ihr gesagt, obwohl Claire versucht hatte, mit ihr zu reden. Es war, als würde sie völlig ignorieren, dass Claire überhaupt existierte.
»Was zum Teufel geht hier vor?«, fragte Eve, als die Limousine wie ein aalglatter schwarzer Hai davonglitt. Sie hatte ein schwarzes Korsettkleid an, unter dessen schwarzem Rock violetter Tüll hervorschaute. Ihr Lippenstift hatte die Farbe von schockierendem Purpur. Wenn Eve verzweifelt war, schlug sich das manchmal auf ihre Garderobe nieder. Und so wie sie heute aussah, schrie sie innerlich geradezu. »Claire? Zuerst dreht Shane durch, dann rufst du nicht an, obwohl du es gesagt hast! Du hast nicht angerufen! War Michael dort?« Plötzlich flackerte Hoffnung in ihr auf wie ein helles Licht, das jedoch sofort gedämpft wurde, als sie Claires Gesicht sah. »War er nicht. Und bei Amelie ist er auch nicht.«
»Nein«, gab Claire widerwillig zu. Sie machte einen Schritt auf ihre Freundin zu. »Ich weiß nicht, wo er ist, aber ich glaube, Michael ist gegangen, um ohne uns mit Shane zu reden und ihn dazu zu bringen, damit Schluss zu machen.«
»Und das ist nicht gut ausgegangen«, endete Eve. Ihre Augen waren dunkel und trübe. »Männer. Warum hören sie nie auf einen? Nicht einmal die süßen, heißen, klugen unter ihnen? Hatten wir nicht vereinbart, dass du mit Shane redest?«
»Ich glaube, Michael wollte mich schützen«, sagte Claire. Sie fühlte sich elend und alles tat ihr weh. »Falls Shane dabei gewalttätig geworden ist, tut mir das leid, Eve. Es tut mir so leid.« Am liebsten hätte sie geweint. Alles war so schiefgegangen und anders als sonst hatte sie nicht das Gefühl, dass sie irgendetwas davon im Griff hatte. Alle logen, schnüffelten herum oder standen unter jemandes Kontrolle. Amelie machte ihr gegenüber auf Kriegerprinzessin und Oliver – na ja, Oliver war plötzlich Oliver hoch zwei. Sogar Kim hatte sie fallen lassen und damit hatte sie sogar gerechnet. Dennoch tat es weh, zumindest körperlich.
»Ach, Süße, schon gut«, sagte Eve. Dann blinzelte sie und betrachtete Claire etwas genauer. »Was zur Hölle ist mit dir passiert?«
»Kim hat uns in eine Falle gelockt. Ein Gebäude ist explodiert.«
»Ein Gebäude ist …« Eve unterbrach sich selbst, trat zurück und sagte: »Warte mal, sagtest du gerade Kim? Meine Kim? Also, die Kim, die wir jetzt alle hassen und die im Gefängnis ist? Warst du etwa auch eingesperrt? Warum wurdest du …«
»Sie haben sie rausgelassen«, unterbrach Claire und schloss für einen Moment die Augen. »Und es war meine Idee. Ich dachte, sie könnte uns dabei helfen, das Signal zurückzuverfolgen, zu dem Ort, an dem die Kämpfe stattfinden.«
»Ach? Oh. Eine ziemlich gute Idee eigentlich.«
»Es war eine furchtbare Idee. Sie hat sie irgendwie alarmiert. Sie haben uns fast umgebracht. Und sie haben Amelie total verärgert.« Claire war jetzt wirklich den Tränen nahe, und als sie Eves warmherzigen, besorgten Blick sah, fing sie an zu schluchzen. »Alles bricht auseinander. Ich weiß nicht … ich glaube, sie wissen jetzt, dass wir sie suchen. Ich glaube – oh Gott, Eve – ich glaube, dass Amelie jetzt alle umbringen will, und ich weiß nicht, was ich tun soll!« Das kam wie ein klagendes, jämmerliches Geheul heraus und sie schämte sich sofort dafür. Dann brach sie zu ihrer eigenen Verwunderung zusammen. Bis jetzt hatte sie allen Paroli geboten. Oliver und Bishop. Amelie. Ja, sogar Myrnin, wenn er böse und verrückt gewesen war.
Dieses Mal bestand
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