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Bis die Daemmerung uns scheidet

Bis die Daemmerung uns scheidet

Titel: Bis die Daemmerung uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Caine
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nein, das hier war Königin Amelie, die Gründerin Morganvilles, die niemals lächelte. Die Tochter von Bishop. Die, die seit Jahrhunderten alle Feinde überlebte, die sich in all den Jahren auf ihre gefährlichen Gegner gestürzt hatte.
    Und Claire zweifelte keinen Augenblick daran, dass Amelie meinte, was sie sagte.
    »Ich werde nichts verraten«, sagte sie. »Aber ich brauche Hilfe für den Nachhauseweg.«
    »Die bekommst du. Myrnin!« Amelies Stimme war scharf, spröde und ungeduldig. »Raus hier. Sofort.«
    Ein Abschnitt der Wand ging auf – Claire hätte nie vermutet, dass dort eine Tür war – und Myrnin streckte den Kopf heraus, die Augenbrauen hochgezogen. »Dann sind wir hier also fertig?«
    »Vorerst ja«, sagte Amelie. »Bring sie nach Hause. Und …«
    »Sag’s nicht … jaja ich habe es die ersten siebenhundert Mal schon gehört«, sagte Myrnin viel zu scharf. »Ich bin steinalt, aber ich bin nicht taub.«
    Amelies kalter Gesichtsausdruck wurde noch kälter und in ihren grauen Augen erschien ein unangenehmes rötliches Glitzern. »Glaubst du, ich finde das Ganze witzig?«
    »Vielleicht wäre das besser«, sagte er. »Und vielleicht hättest du dem alten Mann den Kopf abschlagen sollen, als du die Gelegenheit dazu hattest. Absolut niemand hätte diese Entscheidung infrage gestellt. Ihn einzumauern, um sein Leiden zu erhöhen und ein Exempel zu statuieren – das war unbarmherzig und, was noch schlimmer ist, es war auch nachlässig. Das rächt sich jetzt.«
    Wenn Amelies Blick jetzt noch kälter wurde, dann würde sich hier bestimmt gleich Bodenfrost bilden, dachte Claire. »Ach ja? Ich glaube, meine Geduld rächt sich gleich, wenn du noch länger solchen Unsinn daherredest, alter Freund. Denk daran, wo deine Grenzen sind.«
    Blitzschnell durchquerte er den Raum und stellte sich so dicht vor sie, dass sich ihre Zehen fast berührten. Er war größer als sie, schlaksig und schäbig, genau das Gegenteil zu ihrer Eleganz … aber er hatte etwas an sich, was Claire dazu bewog, die Luft anzuhalten. »Ich bin dein Freund«, sagte er leise. »Ich war schon immer dein Freund, meine Liebe. Aber wenn es um deinen Vater geht, warst du noch nie besonders rational. Lass dich nicht von ihm steuern. Spiel nicht mit ihm, er wird immer grausamer sein als du. Bring ihn um, wenn du ihn findest. Ich hätte ihn heute für dich getötet, wenn ich dazu in der Lage gewesen wäre. Aber er ist schnell und stark und ich kann es mir nicht leisten, von ihm gebissen zu werden. Er ist dazu in der Lage, innerhalb kürzester Zeit eine Armee um sich zu scharen. Du musst ihn finden und dann hinrichten. Auf der Stelle.«
    Ganz kurz dachte Claire, dass er sie erreicht hätte, dass sie auf den leisen Schmerz in seiner Stimme hören würde. Doch dann schloss sich ihre bleiche, starke Hand um Myrnins Kehle und drückte zu. Blutstropfen quollen aus den Stellen, in die sie ihre Fingernägel grub. Mit einem einzigen Ruck riss sie ihn aus dem Gleichgewicht und ließ ihn krachend auf die Knie fallen, wo sie ihn festhielt.
    Er versuchte nicht, sich zu wehren. Claire wusste nicht, ob er das überhaupt konnte. Amelie strömte eine massive, kalte Welle der Bedrohung aus, die Claire an Ort und Stelle erstarren ließ.
    Dann beugte sich Amelie sehr langsam zu ihm hinunter und sagte: »Noch nie hatte mein hassenswerter Vater eine bessere Schülerin als mich, Myrnin. Und ich werde ihn umbringen, aber erst dann, wenn ich es für richtig halte. Sag mir nicht, was ich zu tun habe, sonst könnte es notwendig werden, dich daran zu erinnern, dass ich die Gründerin Morganvilles bin. Nicht du.«
    »Das werde ich niemals vergessen«, stieß Myrnin flüsternd hervor. »Und schon gar nicht, wenn deine Fingernägel in meiner Kehle stecken. Sie sind eine ganz hervorragende Gedächtnisstütze.«
    Sie blinzelte und ließ ihn los. Als sie zurücktrat, sah sie finster auf ihre blutverschmierten Fingernägel hinunter.
    Myrnin erhob sich mit einer glatten, mühelosen Bewegung und zog ein schwarzes Taschentuch aus der Tasche seiner Shorts. Wortlos nahm sie es, wischte das Blut ab und gab es zurück. Er wischte sich den Hals ab. Die Wunden hatten sich bereits geschlossen.
    »Das ist das zweite Mal heute Nacht, dass ich mein Blut für dich vergieße«, sagte er. »Ich glaube, jeder von uns hat seine Meinung nur allzu anschaulich zum Ausdruck gebracht. Ich verabschiede mich jetzt. Ach, Claire auch. Ich nehme sie mit.«
    Amelie nickte. Zwischen ihren Augenbrauen hatte sich eine

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