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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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niedergeschlagen? Aber dann müsste er doch eine Verletzung am Kopf haben: eine Beule, eine Wunde. Aber außer einem von innen kommenden, dumpfen Kopfschmerz und dem lädierten, schmerzenden Knie spürt er nichts.
    War er betrunken? Der Kopfschmerz würde dazu passen. Das Gefühl kennt er, obwohl er so jung ist. Aber nein, ausgeschlossen. Auch andere Drogen hat er nicht genommen. Das hat er noch nie gemacht, obwohl sie ihn immer wieder dazu überreden wollen. Vor allem Nina, die steht auf das Zeug. Aber auch wenn er auf Nina steht: Davon will er nichts wissen. Er hat auch so schon genug Probleme.
    Klara. Immer wieder Klara. Warum ist der Gedanke an sie so stark? Und das Handy. Dann ist da plötzlich ein weißer Fleck. Einer, der immer größer wird und in dem er versinkt. Wellen, die über ihm zusammenschlagen. Aber die Wellen sind nicht aus Wasser.
    Er versteht die Bilder in seinem Kopf noch nicht. Aber manchmal hat er das Gefühl, kurz davor zu sein.
    Klara. Das Handy. Hat er nicht mit Klara telefoniert? Natürlich, das ist es! Die Verbindung war schlecht, sie hat ihn kaum verstanden. Er war beim alten kleinen Hafen. Das Gespräch war zu Ende. Er stand draußen und blickte auf die braune, ruhige Wasserfläche. Ein modriger Geruch. Er hatte Angst, sehr große Angst. Und dann kam der weiße Fleck auf ihn zu und wurde schnell so groß, dass er ihn verschluckte. Die Wellen schlugen über seinem Kopf zusammen. Das war unmittelbar, bevor der Faden riss.

14
    »Soll ich euch bei der Schule absetzen?«, fragte Marlena. Wir befanden uns im Treppenhaus auf dem Weg nach unten.
    »Nicht nötig«, sagte Nils schnell, »wir gehen lieber zu Fuß. Wir haben genug Zeit. Und da es gerade nicht regnet …«
    Wir waren unten angekommen und standen vor der Haustür. Die Straßen glänzten schwarz wie Lakritz. Es hatte die ganze Nacht geschüttet. Marlena war skeptisch: »Das kann aber jeden Augenblick wieder losgehen.«
    »Und wenn schon«, erwiderte Nils gereizt. »Sind wir vielleicht aus Zucker?«
    »Er wollte mir noch was in Mathe erklären«, schaltete ich mich ein. »Wir schreiben heute eine wichtige Arbeit.«
    Das stimmte sogar. Nur dass ich sie nicht mitschreiben würde. Eigentlich bescheuert, denn schließlich hatte ich mich mit meinem Vater zerstritten, eben weil ich weiter zur Schule gehen wollte. Heute aber war mir das alles total egal.
    Marlena merkte offenbar, dass irgendwas nicht stimmte, das sah ich ihr an, sie hatte aber keine Zeit nachzuhaken.
    »Dann macht’s gut.« Sie ging zu ihrem Auto. »Wir hören nach der Schule voneinander, Klara.« Sie imitierte mit den Fingern die Form eines Telefonhörers.
    »Okay«, sagte ich.
    Als wir sicher sein konnten, dass sie losgefahren war, flitzte Nils mit unseren Schultaschen wieder nach oben. »Die stören nur«, sagte er.
    Als er zurückkam, hatte er eine Taschenlampe dabei.
    »Die brauchen wir garantiert«, sagte er.
    Wir machten uns auf den Weg zur nächsten Haltestelle. Zu Fuß war der alte Segelhafen über eine Stunde entfernt. Er lag weit ab von den übrigen Hafenanlagen, oben im Norden der Stadt. Ich wollte unbedingt ab acht Uhr dort sein und auf jeden Fall bis mittags bleiben.
    Die Busfahrt dauerte eine Viertelstunde. Der Bus war proppenvoll. Wir hatten gerade noch zwei Sitzplätze erwischt. Unterwegs gaben wir beide keinen Piep von uns.
    Von der Haltestelle aus führte eine schmale, holprige Straße an einem kleinen Flusslauf entlang zum Segelhafen. Es war noch sehr dunkel. Zum Glück hatte Nils die Taschenlampe dabei. Um Viertel vor acht standen wir auf der Brücke am Rande des Hafens, von wo aus wir das gesamte Gelände im Blick hatten.
    Ich erinnerte mich daran, als Kind ein paarmal mit meinen Eltern hier gewesen zu sein. Damals hatten wir noch Familienspaziergänge gemacht. Heute kam mir das vor wie die Erinnerung an ein anderes Leben.
    Nils kannte sich besser aus als ich, aber auch er musste sich erst mal orientieren. Schließlich aber zeigte er entschlossen auf die rechte Seite des Hafens.
    »Von hier aus«, sagte er, »kann man sie nicht sehen. In so einer stillgelegten Werft ist es natürlich dunkel. Aber ich weiß jetzt wieder ganz genau, wo Schröder war.«
    Ich war mir nicht so sicher, ob er es wirklich wusste, behielt meine Bedenken aber für mich.
    Wir gingen an der rechten Wasserseite entlang. Der Hafen war nicht groß und wir gelangten schnell an sein Ende. Danach führte nur noch ein Schlackeweg weiter, der garantiert aus dem vorletzten Jahrhundert

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