Bis euch der Pfähler holt!
Gesicht.
Blattschuß! dachte er.
Horak leckte noch einmal über seine kalten, aufgesprungenen Lippen, als er die Hände unter die leblose Gestalt schob, um sie anzuheben. Er stöhnte dabei, die Wunde zuckte nahezu wütend, und Horak schaffte es nicht, die Gestalt in die Höhe zu hieven. So blieb ihm nichts anderes übrig, als ihn schräg über den Boden zu zerren, und zwar mit den Hacken zuerst. Festgehalten wurde Marek nur unter den Achselhöhlen, und Horak bewegte sich rückwärtsgehend auf das Haus zu. Er mußte hin und wieder den Kopf drehen, weil er wissen wollte, ob er sich noch in der Richtung befand.
Der Weg wurde ihm lang.
Er mußte sich auch beeilen, denn er wollte keinen zufälligen Zeugen haben. Er schaffte es.
Die Schwelle des Hauses war die Ziellinie, die er zusammen mit Marek überschritt. Er ließ die leblose Gestalt auf den Boden zwischen Tisch und Tür fallen, trat die Tür dann ins Schloß und konnte sich ein rauhes, heftiges Lachen einfach nicht verkneifen. Es brach aus ihm hervor, es mußte einfach heraus, und wie ein Betrunkener torkelte er durch den Raum, wobei es ihm egal war, daß er einen der beiden Stühle umriß. Es gab noch einen zweiten, auf den er sich setzen konnte. Zu hart ließ er sich fallen, denn von seiner Wunde aus strömte der Schmerz durch den Körper.
Horak hatte es sich so leicht vorgestellt, aber die verdammte Verletzung machte ihm zu schaffen.
Es war sehr düster geworden, und die Glut im Kamin gab auch kaum Licht ab. Unter der Decke hing eine schlichte Lampe. Sie bestand aus einer Glühbirne und einen darüber liegenden flachen Metallkreis. Den Schalter entdeckte er neben der Tür, wo die Leitungen noch über Putz lagen. Horak torkelte hin. Er war gezwungen, wieder die Zähne zusammenzubeißen, und er freute sich, als das Licht endlich brannte und er sich wieder auf seinen Platz setzen konnte.
Zischend verließ der Atem seinen Mund, begleitet von einem leisen Stöhnen.
In der Wunde tuckerte und brannte es. Horak kam der Begriff des Wundbrands in den Sinn, und er fürchtete sich davor. Aber er mußte etwas dagegen unternehmen, jetzt und hier, denn ihm stand noch ein langer Weg bevor. Er schaute an der linken Körperseite herab. Die Lappen waren vom Blut durchnäßt. Das Grau hatte eine rote Farbe bekommen. Leise fluchte er vor sich hin, als er die provisorischen Verbände löste und seine Wunde vorsichtig betastete. Die Fingerkuppen berührten das rohe Fleisch an den Seiten, und jedesmal zuckte er zusammen. Die nähere Umgebung der Verletzung war heiß geworden.
Sicherlich würde das Fleisch irgendwann anfangen zu faulen, und dann war es sicherlich um ihn geschehen.
Er brauchte neue Verbände. Mit einer schwerfälligen Bewegung stand er auf und merkte zum erstenmal, daß Hitzewellen durch seinen Körper schössen. In einer Ecke sah er ein Waschbecken, darüber schwebte der gebogene Wasserhahn. Er drehte ihn auf. Eiskaltes Wasser lief in das Becken. Neben dem Becken waren Haken an der Wand befestigt. Dort hingen drei graue Handtücher. Eines davon nahm er ab und preßte es auf die Wunde. Dann hielt er seine Hände unter den eiskalten Strahl. Er wußte nicht, ob er es richtig machte, aber er feuchtete das zweite Handtuch an und wickelte es über das erste. Halt hatten die Tücher in seinem Hosenbund gefunden.
Im ersten Augenblick empfand er die Kälte auf der Verletzung als angenehm. Etwas Energie kehrte wieder zurück. Er brauchte noch eine kleine Pause, bevor er losfahren konnte. Den Wagen hatte er sich unterwegs gestohlen. Auf halbem Weg stoppte er seine Schritte. Er sah Marek vor sich leblos am Boden liegen und hätte ihm am liebsten einen heftigen Tritt versetzt. Wegen seiner Verletzung ließ er es jedoch bleiben und konzentrierte sich auf die wichtigen Dinge.
Horak hatte einen Wunsch. Er wollte sehen, wo seine Kugel diesen Menschen erwischt hatte. Dabei blieb ihm das Bücken nicht erspart. Er bewegte sich sehr behutsam, die Wunde sollte auf keinen Fall weiter aufreißen. Horak stemmte sich auf die Knie. Er schaute hin, und plötzlich sah er, daß Mareks Halsschlagader zuckte.
Er war nicht tot.
Erlebte!
***
Diese Tatsache konnte Horak nicht verkraften. War es kein Volltreffer, sondern nur ein Streifschuß gewesen?
Horak überlegte. Trotz seiner zahlreichen, durch den Kopf wirbelnden Gedanken kristallisierte sich einer hervor. Er wollte Marek tot sehen. Er wollte auf seine Leiche spucken. Er mußte ihn noch einmal
›umbringen‹, nur würde er es
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