Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
Trick mit dem Knopf.
Wie sie ihm mit den Zähnen das Hemd aufgeknöpft und den Reißverschluß seiner
Hose geöffnet – und was sie mit ihrem Mund sonst noch für raffinierte Sachen
angestellt hatte.
    [650]  »Sei nicht so grausam, Miiiestär Penis«, flüsterte Mrs. Machado,
während Jack vor ihr zurückwich. In ihren schnürsenkellosen Laufschuhen
schlurfte sie hinter ihm her, doch dann blieb sie plötzlich stehen. Es war
nicht Jacks schwacher Widerstand, der sie gestoppt hatte. Ihre Blickrichtung
hatte sich geändert. Sie spähte an ihm vorbei oder hinter ihn – und war in der
Sekunde, in der er sich umdrehte, um festzustellen, wohin sie schaute,
verschwunden.
    Sie mußte Ende Sechzig, Anfang Siebzig sein. Wie konnte sie so
flink, so schnell auf den Beinen sein? Oder war die Biegung im Korridor näher,
als Jack gedacht hatte? Am wahrscheinlichsten war natürlich, daß Mrs. Machado
gar nicht dagewesen war.
    Jedenfalls hatte Jack den Rollstuhl nicht gehört; die Räder machten
auf dem glatten Linoleumboden keinerlei Geräusch. (Schließlich spukte es hier.)
»Jack«, sagte die Frau im Rollstuhl, »du siehst aus, als hättest du ein
Gespenst gesehen.«
    Er hatte damit gerechnet, von Mrs. Malcolm – allzeit die
Beschützerin jener Mädchen, deren Schändung er, wie sie glaubte, im Sinn hatte
– zur Rede gestellt zu werden. Doch die Frau im Rollstuhl war eine attraktive,
vierzigjährige Immobilienmaklerin in schwarzem Hosenanzug.
    Bonnie Hamilton hatte es fertiggebracht, ihren Rollstuhl an
irgendeiner verborgenen Stelle im hinteren Teil der Kapelle abzustellen und
ungesehen zu ihrem Platz und wieder zurückzuhinken. Ihr Erfolg als
Immobilienmaklerin, erzählte sie Jack später, verdankte sich der Tatsache, daß
sie ihren Rollstuhl stets an der Haustür stehenließ und mit ihren Kunden von
Zimmer zu Zimmer hinkte – sogar, wie Leslie Oastler gemeinerweise unterstellt
hatte, die Treppen hinauf und hinunter. »Wahrscheinlich tue ich meinen Kunden
leid«, scherzte Bonnie. »Kein Mensch will einen Krüppel enttäuschen – sozusagen
alles noch schlimmer machen.«
    Doch bei öffentlichen Ereignissen, oder wenn sich viele [651]  Menschen
zusammenfanden, verstand es Bonnie Hamilton auch, ihr Hinken zu kaschieren; sie
hatte ein Talent dafür, ihren Rollstuhl zu verlassen und wieder aufzusuchen,
ohne daß jemand sie dabei sah. Im Rollstuhl sah sie elegant aus; für Jack war
sie so schön wie damals, als sie zusammen zur Schule gegangen waren.
    Er war noch immer sprachlos von seiner Begegnung mit Mrs. Machado,
ob sie nun aus Fleisch und Blut gewesen war oder nicht. Wie grotesk ihm in der
Erinnerung die lange vergessenen Einzelheiten all dessen erschienen, was sie
ihm angetan hatte! Daß er obendrein noch von Bonnie Hamilton gerettet wurde,
die sich alle Mühe gegeben hatte, ihn als kleinen Jungen von neun oder zehn
Jahren vor ihrer Schwester und vor Ginny Jarvis zu beschützen, war zuviel für
ihn.
    Jack fiel auf die Knie und brach in Tränen aus. Bonnie rollte näher
heran und zog ihn mit dem Kopf voran auf ihren Schoß. Sie glaubte offenbar, sie hätte ihn zum Weinen gebracht; anscheinend war er noch
immer traumatisiert von der Erinnerung daran, wie man ihn gezwungen hatte, auf
die Stirn ihrer Schwester zu ejakulieren! (Der schreckliche Verlust seiner
Unschuld im Wohnheim der großen Mädchen, als er ein verängstigter kleiner Junge
gewesen war – das, in Verbindung mit dem Verlust von Emma, hatte ihm zweifellos
den Rest gegeben.)
    »Jack, ich muß daran denken, was wir dir Schreckliches angetan haben
– an jedem Tag meines Lebens denke ich an dich!« rief Bonnie. Jack versuchte,
in ihrem Schoß den Kopf zu schütteln, aber Bonnie glaubte wahrscheinlich, er
versuche, von ihr wegzukommen, und hielt ihn nur noch fester.
    »Nein, nein – hab keine Angst!« beschwor sie ihn. »Es wundert mich
gar nicht, daß du weinen mußt, wenn du mich ansiehst, oder daß du dir
Frauenkleider anziehst oder andere verdrehte Sachen machst. Nach dem, was wir
dir angetan haben, mußt du ja verdreht sein! Natürlich bist du verdreht!« rief
Bonnie.
    [652]  Sie ist vollkommen verrückt, dachte
Jack, der kaum Luft bekam; sie krallte sich mit beiden Händen in sein Haar und
quetschte sein Gesicht zwischen ihre Oberschenkel. Bonnie Hamilton fühlte sich
sehr stark an; sie trainierte offenbar sehr viel. Aber mit einer Frau im
Rollstuhl kann man nicht ringen; Jack ließ sich einfach von ihr halten, so
fest, wie sie wollte.
    Über ihn gebeugt,

Weitere Kostenlose Bücher