Bis zum bitteren Ende
Ryan Mercury«, sagte Aina. »Meist nur Gutes.«
»Ich hoffe, daß ich leibhaftig keine Enttäuschung für Sie bin.«
Aina lächelte nicht. »Ich habe das nicht gesagt, um Ihnen zu schmeicheln, sondern lediglich als Grund, warum ich überhaupt mit Ihnen rede. Warum ich komme, um Ihnen zu helfen, anstatt Sie zu töten. Ich nehme an, Sie hatten einen guten Grund, Harlekin auf den Metaebenen zurückzulassen?«
Ryan verbiß sich eine scharfe Erwiderung. Dieser beleidigende Drek hatte ihm gerade noch gefehlt, aber er mußte diplomatisch vorgehen. Ihre Hilfe war von entscheidender Bedeutung. »Ja«, sagte er lediglich.
»Sagen Sie mir, was passiert ist.«
Ryan erzählte ihr die ganze Geschichte, da er zu dem Schluß gekommen war, daß ihm keine andere Wahl blieb, als ihr zu vertrauen. Er berichtete von dem Ritual, mit dem sie das Drachenherz zur Brücke gebracht hatten, schilderte, wie Thayla in den Abgrund gestürzt war, den Kampf mit Darke, den Zombies und den Spinnenkreaturen und wie Harlekin ihn wieder zurückgeschickt hatte.
Am Ende seines Berichts hatte Ainas Miene sich ein wenig verändert. Sie hatte einen etwas respektvolleren Ausdruck bekommen. »Dann stimmt es, was ich über Sie gehört habe«, sagte sie.
»Können Sie helfen?«
Aina dachte nach. »Wenn er noch lebt und auf den Metaebenen umherirrt, werde ich ihn suchen«, sagte sie. »Ich kenne ihn schon sehr lange und habe eine bessere Chance, ihn zurückzubringen als...« Aina unterbrach sich und verkniff sich die Worte, die ihr ursprünglich auf der Zunge gelegen hatten. »Als dieses Kind - Foster. Aber wenn Caimbeul tot ist...«
Ryan nickte, während er das Ritualgemach betrat und sich umsah. Axler und Talon sahen ihn kurz an. Foster und Harlekin lagen Seite an Seite, und ihre blonden Haare vermischten sich mit seinem kastanienbraunen Pferdeschwanz. Beide Gesichter waren schlaff.
»Ich hoffe, Sie schaffen es rechtzeitig«, sagte er.
»Ich beginne sofort mit der Suche«, erklärte Aina, dann war sie verschwunden, und der Bildschirm wurde wieder von Nadjas Gesicht ausgefüllt.
»Ryan? Wir sehen uns in ein paar Stunden.«
Er warf noch einen Blick auf Harlekins Gesicht. Der Mann war jetzt seit über zwölf Stunden nicht mehr in seinem Körper. Als Ryan seine Aura betrachtete, sah er keine Spur von Harlekins Seele.
»Beeil dich, Nadja«, sagte er und legte auf.
24
Lucero erhob sich aus ihrem aufgeschlitzten Körper, da ihre Seele sich endlich Oscuros bedrückender Manipulation entzogen hatte. Schmerzen durchzuckten sie wie eine Explosion der Qualen, die sie immer wieder durchpulste, niemals aufhörte, niemals ihren Schrei abklingen ließ.
Werde ich diesen letzten Augenblick für immer und ewig durchleben? Ist das meine Buße?
Die Gestaltwesenheit verzerrte den Astralraum ringsumher. Die Auren der zehn Mitglieder verschmolzen zu einer, die sie umwirbelte und ihre fliehende Seele umgab, als sie sich über den Locus erhob. Die Kraft des Steins strahlte wie eine dunkle Sonne. Sogar jetzt, da ihr Körper tot unter ihr lag, spürte sie den Zug des gemeißelten Obsidianquaders, und ein entfernter Teil von ihr sehnte sich danach zu bleiben.
Vielleicht konnte der Stein ihr die Schmerzen nehmen. Vielleicht konnte sie ihre Kräfte wiedergewinnen.
Luceros Seele stieg nicht länger auf, eingehüllt in den Tornado der Kraft, der von der Gestalt geschaffen wurde und grün und elektrisch blau über ihr wirbelte. Sie hielt inne und sank dann wieder abwärts, auf ihren Körper zu.
Vielleicht bin ich noch am Leben.
Während sie fiel, sah sie ihren Körper immer näher kommen. Sie konnte Oscuros Angriff mit dem Macauitl unmöglich überlebt haben. Ihr Körper lag auf der Seite wie frisch erlegtes Wild, Gedärme und innere Organe in einem Haufen daneben. Die Furchen ihrer Runennarben waren noch ein letztes Mal mit Blut nachgezeichnet. Oscuros Werk.
Der Schnitt in ihrem Bauch war extrem sauber ausgeführt wie von einem Chirurgenskalpell. Oscuro kniete über ihren Eingeweiden, die Hände bis zu den Ellbogen in der glitschigen Masse ihrer Innereien vergraben. Leber, Magen, Nieren und Lunge waren herausgeschnitten und um ihr Herz drapiert worden, dessen Verbindung zur Aorta immer noch bestand und das immer noch schlug.
Oscuro murmelte ein paar Worte über ihrer Leiche, und obwohl Lucero sie nicht hörte, verstand sie doch ihren Sinn. »Ich beschwöre dich, Lucero Débil. Von allem, was noch bleibt, hole ich dich zurück.«
Luceros Blut floß rückwärts, und
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