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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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höfischen und junkerlichen Kreisen. Johanna Bismarck in Schönhausen ließ sich von ihrem Gatten alle Witze Seiner Majestät erzählen. Die waren gottvoll. Zum Beispiel, als er bei der Abreise des Herzogs von Cambridge die Schloßparole ausgab: »Oxfort!« oder dem Herzog von Anhalt-Köthen, als dessen Bürger die Hymne »Ich bin ein Preuße« sangen, auf dessen Unmut antwortete: »Die Leute können doch nicht singen, ich bin ein Köter, kennt ihr meine Farben!« oder einer sehr hohen Dame, als diese bei Charademimik schmachtend auf einen Löffel blickte und »Silberblick« meinte, die Lösung gab: »Löffelgans«. Si non è vero, è ben trovato . Die Berliner Bourgeoisie schätzte die Witze Seiner Majestät, blieb aber dabei, treugehorsamst zu opponieren. Und der tolle Frühling von 1848 brauste immer lauter, bis in die Klause des Eremiten von Schönhausen, der sich ganz zurückzog und seinem Familienglück lebte. Der Deichhauptmann wußte aus Erfahrung, was diese Symptomebedeuteten, wenn ein Strom nach entfesseltem Eisgang sich ungebärdig an die Ufer wälzt.
    »Was hast du denn, Ottochen?« forschte die besorgte Gattin, als er finster ein Zeitungspapier zerknüllte.
    »In Paris Revolution und Republik. Das kann gut werden mit der Ansteckung.« Und so geschah es, Volksversammlungen, Sturmpetitionen, besonders für Revision der Bundesverfassung. In Mannheim, Karlsruhe, Stuttgart, München, Hannover griff die Bewegung des denkwürdigen März um sich, selbst in Kassel stellte man dem Tyrann ein Ultimatum. Und der Bund gab nach. Das Präsidium in Frankfurt erließ schon am 1. einen Aufruf: »Deutschland muß auf die Stufe erhoben werden, die ihm unter den Nationen Europas gebührt.« Dagegen hatte der Schloßherr von Schönhausen nichts einzuwenden. »Es ist schön, daß die Regierungen die Sache selbst in die Hand nehmen, das ist der rechte Weg«, rief er freudig und schmunzelte: »Am Ende gewinn' ich noch meine Champagnerwette mit dem Yankee.« Aber als gleich darauf Preßfreiheit und Schwarzrotgold, die Farbe der Burschenschaft, als Bundesfarbe proklamiert und die Nationalversammlung nach Frankfurt berufen wurde, furchte sich seine breite und schon zusehends kahlwerdende Stirn: »Zu hitziges Tempo und Nachgiebigkeit gegen die Demagogie! Wird unsern König stutzig machen, und damit ist alles verloren.«
    »Die Leute lehnen sich ja alle gegen die gottgewollte Obrigkeit auf,« jammerte seine Frau Gemahlin, »darauf kann niemals Gottes Segen ruhen.« Ihr Mann schwieg betreten. Natürlich, es war die reine Erpressung. Aber wenn wirklich auf diesem Wege wider alles Erwarten die deutsche Einheit zustande käme ... ach, Unsinn! Siehe die Schwätzer im Landtag!
    Und es wurde schlimmer und schlimmer. In allen deutschen Kleinstaaten siegte die Revolution unter dem Namen des Konstitutionalismus. Tatsächlich dankte das alte Regierungssystem überall ab. In Wien – wer hätte das gedacht! – mußte die Metternichtigkeit flüchten und der Kaiser eine schwarzrotgoldene Fahne in die Hand nehmen, indes seine Truppen von der Hofburg abzogen und die Nationalgarde die Führung antrat. Und kaum hatte Frau v. Bismarck die Hände über dem Kopfe zusammengeschlagen und ihr Mann schweigsam diesen Ruin aller außerpreußischen Dynastien verdaut, der zur Stärkung Preußens dienen konnte, als ihn in Carow bei seinem Gutsnachbar Graf Wartensleben, zu dem er behufs politischer Besprechung hinüber ritt, eine Hiobspost aus heiterem Himmel erwartete.
    »In Berlin herrscht die Revolution!« empfing ihn der Graf, zitternd vor Aufregung. »Damen aus Berlin sind zu mit geflüchtet. Hab' ich Ihnen nicht gesagt, Majestät hätte den Magistrat und die Stadtverordneten der Residenz nicht so schnöde abweisen sollen, er sei beschäftigt, als man ihm die Adresse überreichte?Beschickung der Nationalversammlung in Frankfurt, allgemeine Amnestie, gleiches Bürgerrecht für alle waren doch keine so unmäßigen Forderungen angesichts der politischen Lage. Und nun haben wir den Salat ... und den Essig dazu!«
    Aus dem Tone des Edelmanns entnahm Bismarck, daß die Dinge sehr schlecht stehen mußten. Er wußte schon, daß große stürmische Volksversammlungen in der Hauptstadt stattfanden, auch schrieb ihm Gerlach, daß allerlei lichtscheues Gesindel der internationalen Revolutionsindustrie, Franzosen und Polen, russische Juden, politische Flüchtlinge, internationale Agitatoren sozialistischer Färbung, in Berlin zusammenströmten. Doch hatte er solche

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