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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Spaziergang.
    »Hm, es kommt drauf an, ob man dies wörtlich nimmt.«
    »Otto!« rief sie erschrocken. »Ein solcher Unglaube an das Wort der Schrift!«
    »Steht's auch wirklich so da? Und, verzeih, auch ich glaube nicht blindlings alles, was dorten steht.«
    »Was, das Wort Gottes!« Sie starrte ihn an mit weit aufgerissenen Augen.
    »Durch Menschen vermittelt. Die Apostel waren Menschen wie wir, also zum Mißverstehen geneigt, auch der Sünde untertan wie alle. Sie konnten Christi Lehre nur erfassen gemäß ihrer eigenen geringen Bildung und beschränkten Geistesart. Lukaserfuhr gar nichts aus Christi eigenem Munde, Paulus bekehrte sich zum Herrn lange nach dessen Hinscheiden.«
    »Aber die Ausgießung des Heiligen Geistes!«
    »Schon recht. Mag sein, daß in großen Augenblicken der Geist über uns kommt. Beim Genie nennt man's Intuition. Nun, tröste dich, dies ist ja kein Ende meiner Glaubensfahrt, sondern nur eine Station, wo ich Relaispferde wechsle. So geschwind mit Extrapost fährt sich's nicht zum Himmel.«
    »Ach, wie soll das werden, wenn wir so verschieden bekennen!«
    »Das ergänzt sich nur, wenn beide Teile den ernsten Willen haben.«
    »Aber die Offenbarung – deine Schwäche im Glauben ängstigt mich so.«
    »Damit richtest du schon, was keinem Christen zusteht. Keiner darf den andern gewaltsam zu seiner Glaubensrichtung hinüberziehen. Ward denn Rom an einem Tage erbaut? Auch nicht alle Häuser in Rom nach gleichem Muster, und doch sind alle Einwohner Römer. Verstehst du? Nur Spötter und Verächter bleiben draußen.«
    Sie saßen eng aneinandergeschmiegt, und die Nacht draußen war still und hell. »O, wäre ich auch so sternenklar!« seufzte sie.
    »Nein, sonnen- und sternenklar sollst du nicht sein, nicht so ruhig. Du meine dunkle warme Sommernacht voll Blütenduft und Wetterleuchten! Jeder Blick in diese grau-blau-schwarze Pupille deiner großen Augen ist ein Blick in die Ewigkeit.« Und so schwärmten sie weiter. –
    Draußen heulte der Wind, drinnen saß sie am Klavier. »O spiele, spiele!« bat er, »deine Töne tragen mich durch die weite Welt. Musik ist überall. Der Tauwind pfeift durch entlaubte Linden, seine hohle Stimme singt in den Zweigen, dann denke ich, du spielst E-Dur. Schneeflocken fegen um den alten Turm von Schönhausen, dann höre ich E-Moll fernher, wo du in die Tasten greifst. Im Frühlingsheim säuselt Adagio, das Heimchen zirpt auf Sommerwiesen ein sanftes Andante. Doch zum Fortissimo schwellen die Stimmen von Herbst und Winter, wenn sie welke Blätter und Schnee als Leichentuch auf den Friedhof decken. Dann hat die liebe Seele Ruh, wir haben ausgetobt, wenn wir dereinst als greises Paar zusammensitzen und auf ein Leben zurückblicken voll Kampf und hoffentlich Sieg.«
    »Worüber willst du siegen? Gegen was kämpfen? Rede nicht so, mir wird bange. Wir wollen still für uns leben und unseren Leuten Gutes tun.«
    »Das wollen wir, mein Lieb. Über was siegen? Das wissen die Götter. Zu kämpfen gibt's immer was. Man sagt nur so. Wir sind Land-Gentry, du hast recht, und werden uns hüten, uns in Welthändel zu mengen und unser häuslich Glück aufs Spiel zu setzen. So wie heut wollen wir immer beisammen sitzen, noch als steinalte Mummelgreise.« Sie plauderten Arm in Arm imPlüschsofa des roten Saales. »Träume ich und halte dich wirklich an meiner Brust? O, wie todeselend saß ich früher allein und deklamierte schaurige Verse! Schneegestöber im Herzen, wie es jetzt draußen herunterrieselt, kalt und stumm, vor mir das Nichts.« Der Kater schnurrte. »Hör' das gemütliche Spinnrad des braven Kerlchens! So spielt und schnurrt ein schwarzes Miezekätzchen in meines Herzens Kämmerlein und treibt mein Herz herum, wie einen rollenden Kreisel. Und ich? ich sehe behaglich dem Rollen zu.«
    Johanna nahm ihre Brautfreuden harmlos und fröhlich hin, wäre sie in heidnischer Allegorie bewandert gewesen, wäre sie sich als Omphale vorgekommen, an deren Rocken Herkules Garn spann. Manchmal erwachte freilich in ihr jene bekannte posthume Eifersucht auf die Vergangenheit des geliebten Wesens. Sie drohte, ihm den kleinen Finger zu brechen, wenn er nicht beichte, wie oft er geliebt habe. Da wurde er ärgerlich. »Schwor ich dir nicht schon tausendmal: Nie, nie, nie?« »Wer's glaubt! Die Männer sind so schlecht und so leicht vergeßlich.« Sie setzte eine feierliche Miene auf, als wolle sie ihm den Katechismus abhören.
    »Karoline wollte dich doch seit Jahr und Tag an eine gewisse

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