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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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sagte er leise. »Fräulein Johanna, erinnern Sie sich an vorige Pfingsten? Da stand ich hier in Cardemin mit Ihnen am Fenster.« O, sie erinnerte sich wohl und senkte schüchtern den Blick. Er berichtete ihr damals in einer Aufwallung unbegrenzten Vertrauens, wie öde und farblos ihm das Leben schien. »Wie sah es damals in mir aus? Wüst und leer! Und heut? Heut ist mir das Herz voll einer großen Empfindung – Goethe sagt, daß dies den Dichter mache. Ich bin keiner, aber im Drange eines sehnenden Gemütes stehe ich keinem nach. Und jetzt soll sich mein Los entscheiden.«
    Sie erbleichte und zitterte. Wo wollte das hinaus? »Wollen wir nicht zu Moritz hineingehen?« suchte sie echt weiblich dem Kampfe auszuweichen.
    »Nein. Ich habe allein mit Ihnen zu reden, allein als ob wir beide die einzigen Menschen wären auf einer verlassenen Insel. Gott verwarf nicht mein erstes Gebet. Er goß mir Kraft ein, das ist der wahre Zweck und Sinn des Gebets. Ich werde von heute ab fähig sein, mich demütig an ihn zu wenden in jeder Fährnis. Ist diese tiefe Regung auch erst zwei Monate alt, sie wird mir nie verloren gehen.«
    »O das ist herrlich!« Sie zitterte immer noch, als von einer gleichsam begeisterten Ergriffenheit. Dieser männliche Mann war ein großes Schauspiel in seiner düstern Entschlossenheit, sein altes Leben unter die Füße zu treten.
    »Aber ich brauche einen Vermittler zu Gott.« Er beugte sich nieder, sein blaues Auge senkte sich unwiderstehlich in ihre dunkeln Augensterne. Sie errötete über und über. »Unser Mittler ist der Heiland Jesus Christus.«
    »Für die Menschheit, ja. Doch der einzelne Mensch braucht ein besonderes Wesen, zu dem er beten kann: Sei du mir Stab und Stütze! Nie begriff ich sonst das Goethewort: Das Ewigweibliche zieht uns hinan. Johanna, wollen Sie meine Frau werden?«
    »Das kommt so unerwartet –« hauchte sie, doch als sie scheu den Blick erhob, überrieselte sie geheimnisvolle Ahnung mit dem untrüglichen Intuitiv-Instinkt des Weibes, und gar des liebenden Weibes.
    Es überkam sie in diesem einen Augenblick die Gewißheit, die sie nie mehr verließ, daß dieser ihr Otto zu etwas Großem bestimmt sei. Im Weinberg des Herrn, deutete sie sich's aus in ihrer engen Sphäre. Und sie zog die Hand nicht zurück, legte sie in die seine und sagte mit gepreßter Stimme vernehmlich: Ja! –
    Die beiden hatten verabredet, daß das Verlöbnis vorerst verheimlicht bliebe und nicht bindend, bis der Vater sein Jawort gab. Mündlich in Zimmerhausen, wo er zuletzt mit Puttkamers zusammentraf, ging dies nicht an.
    Im Hotel de Prusse, Stettin, setzte er sich hin zum entscheidenden Brief, worin er den Alten um die Hand Johannas bat und sein ganzes Herz offen legte. Er befand sich in feierlicher Stimmung und empfand das Bedürfnis, Gott anzurufen, er möge ihm Klarheit schaffen, recht sein Inneres zu prüfen, auf daß kein unwahres Wort aus seiner Feder fließe. Daß er sich natürlich bemühte, die religiöse Seite in den Vordergrund zu stellen und sich dem Gedankengang des frommen alten Herrn anpaßte, diese Diplomatie mischte sich wohl ein. Doch wurde es ein ruhiger, schöner Brief, das Bekenntnis einer tiefen und großen Seele.
    Am 2. Januar erhielt er Puttkamers Antwort. Sie ließ offen, ob er den Antrag annehme, enthielt aber die Genehmigung für Otto, als Freiwerber nach Reinfeld zu kommen. Ob seine neuen Tritte auch feste und gewisse seien auf der Bahn zur Heiligung und zum Frieden gegen jedermann? Otto antwortete: wohl sei er noch ein Lahmer, der straucheln werde, doch den Gott aufrechterhalten wolle. Wenn er den Vater durchaus befriedigen und beruhigen möchte, so müsse er bedacht sein, nie gegen diesen und sich selbst unbewußt unwahr zu werden. Er komme also persönlich, sofern er nicht als Schildwache an seinen Deichposten gebunden sei, und erflehe Frost vom lieben Gott, obschon ihm das Herz dabei sinke, weil die Armen das Gegenteil erbitten.
    Am 11. Januar brach er auf, nach 40 Reisestunden, dann war er bei ihr. Die Wintersonne schien hell, als er in Reinfeld anlangte. Der alte Puttkamer empfing ihn ernst und würdig mit festem Händedruck: »Gehen Sie hinauf, Johanna erwartet Sie, meine Frau und ich haben uns darin ergeben. Wo das Herz so deutlich spricht, da ist die Stimme des Himmels. Wir wollen die Verlobung feiern.« –
    Doch die Mutter erhob Einspruch. »Meinen Mann haben Sie rumgekriegt, doch er war wie mit der Axt vor den Kopf geschlagen. Der Wolf frißt immer die

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