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Bissige Gäste im Anflug

Bissige Gäste im Anflug

Titel: Bissige Gäste im Anflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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Halbvampire, ein Mensch, ein Rucksack und eine Puddingschüssel in den Nachthimmel am nördlichen Rand von Bindburg.

Nächtliche
Entzugserscheinungen
    A rmin Schenkel öffnete leise die Wohnungstür und trat in den Vorgarten des Reihenhauses Nummer 24 im Lindenweg. Er griff in die Innentasche seiner Jacke, die er über den karierten Schlafanzug gezogen hatte. Als seine Finger die Zigarettenschachtel ertasteten, wackelte er mit dem großen Zeh. Seine nackten Füße steckten in Hausschlappen. Er zog die Schachtel aus der Jackentasche, öffnete den Klappdeckel, angelte sich eine Zigarette und das Feuerzeug heraus.
    Armin Schenkel hatte seiner Frau Janina zu ihrem dreißigsten Geburtstag eine Ballonfahrt geschenkt. In den luftigen Höhen hatte er ihr versprochen, mit dem Rauchen aufzuhören. Das hatte er auch getan. Zumindest tagsüber. Er fand ja selbst, dass Zigaretten stanken, hässliche gelbe Finger, schrumpelige Haut und krank machten. Trotzdem – wenn er nachts nicht schlafen konnte, packte es ihn. Dann musste er raus. Dann pfiff seine Lunge. So wie in dieser Nacht.
    Das Feuerzeug leuchtete drei Sekunden auf, als sich Armin Schenkel seine Zigarette anzündete. Danach war im Vorgarten des Reihenhauses nur noch ein kleiner glimmender orangegelber Punkt zu sehen. Wie ein einsames Glühwürmchen, das sich verirrt hatte. Armin Schenkel zog hastig an der Zigarette und schielte nach oben zum Schlafzimmerfenster. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, statt Hausschlappen Turnschuhe anzuhaben. Statt einem karierten Schlafanzug Jeans und T-Shirt. Statt Bartstoppeln Pickel am Kinn. Und statt der kurzen, akkurat geschnittenen Frisur hatte er halblange, sorgfältig zerzauste Haare. Einen Moment lang war er wieder fünfzehn. Es war ein seltsam verwirrendes Gefühl. Schön und traurig zugleich.
    Im Schlafzimmer der Schenkels war alles dunkel. Janina schlief. So, wie die meisten Bewohner der Reihenhaussieldung. Armin Schenkel sah zum Haus gegenüber. Dort war vor ein paar Wochen eine Familie aus Rumänien eingezogen. Tepes hießen sie und hatten zwei Töchter. Zweieiige Zwillinge. Verschiedener, fand Armin Schenkel, konnten Zwillinge nicht sein.
    Janina hatte ein bisschen Angst vor Herrn Tepes. Er hatte sie einmal mitten auf der Straße angegrunzt. Linus, ihr vierjährigen Sohn, war dabei gewesen. Ihm hatte das Grunzen gefallen. Sehr gut sogar. Er hat einen ganzen Tag lang nur noch gegrunzt. Armin fand die Familie Tepes einfach irgendwie ... anders. Aber das war kein Wunder, schließlich kamen sie aus einem anderen Land.
    Armin Schenkel stieß den blauen Rauch durch die Nasenlöcher aus. Wie ein gefährlicher Drache. In einem karierten Schlafanzug. Mit Hausschlappen. Er sah den kleinen Wölkchen nach, wie sie nach oben in den Nachthimmel stiegen. Langsam löste sich der blaue Rauch auf und ließ am Himmel etwas sichtbar werden. Erst dachte Armin Schenkel, es wäre ein Schwarm großer Vögel. Dann dachte er, es wäre ein Flugzeuggeschwader, das unbeleuchtet und lautlos durch die Nacht glitt, womöglich vom Geheimdienst. Und schließlich dachte er, es wären fünf Fledermäuse, groß wie Autos. An einer der Fledermäuse hing etwas. Es sah aus wie ein kleiner Mensch.
    Armin Schenkel bekam einen Hustenanfall.
    Er hielt sich die Faust vor den Mund und krümmte sich. Als er wieder zum Himmel sah, waren die fünf Riesenfledermäuse kaum noch zu sehen, so weit hatten sie sich entfernt. Sie flogen Richtung Großmarkthalle. Etwas flog hinter ihnen her. Armin Schenkel wedelte den Rauch seiner Zigarette weg, um besser sehen zu können. Das zweite unbekannte Flugobjekt sah aus wie ein Gespann aus drei Menschen. Zwei flogen außen, mit den bloßen Armen. Die dritte Person hing in der Mitte zwischen ihnen auf einem Tuch oder irgendeiner Tragevorrichtung. Sie klammerte sich daran fest und hatte einen Helm auf, der fast das ganze Gesicht bedeckte.
    Armin Schenkel rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen. Er blinzelte mehrmals, zog hastig an der Zigarette, atmete tief ein und bekam einen zweiten Hustenanfall. Nachdem der Husten vorbei und der Rauch verflogen war, ließ Armin Schenkel den Blick sorgfältig und beklommen über den Himmel streifen. Seine Augen wanderten nach rechts ...
    Sie wanderten nach links ...
    Nach ganz oben ...
    Und bis an den Horizont.
    Nichts. Am Himmel war nichts zu sehen. Außer den Sachen, die dort hingehörten. Wie Sterne, Mond und ein paar Wolken. Die beiden unbekannten Flugobjekte waren auf genauso magische Art

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