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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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erinnern kann. »Brüll sie nicht so an, Daddy«, bettelt sie. »Cat ist im Augenblick nicht sie selbst.«
    »Was soll das bedeuten?«, brüllt er.
    »Sie hat Probleme.«
    Er knirscht mit den Zähnen und nickt wütend. »Oh, ich weiß, dass sie Probleme hat. Sie hatte ihr ganzes Leben lang Probleme, genau wie Ann. Ich hab mein halbes Leben damit verbracht, ihre Probleme aus dem Weg zu räumen, aber damit ist jetzt Schluss! Ich bin fertig damit! Ich werde diesen Mist im Keim ersticken, bevor dieses Kind der ganzen Stadt ein Problem bereitet, die sie sich nicht leisten kann!«
    »Wovon redest du?«, frage ich.
    »Vom Casino, verdammt! Ich rede davon, diese Stadt zu retten! Wir stehen eine Haaresbreite vor der bundesstaatlichen Anerkennung der Natchez Indian Nation, und es gibt nicht das Geringste, was die staatliche Spielkommission dagegen unternehmen könnte! Aber du …«, er stößt seinen dicken Zeigefinger in meine Richtung, »… du könntest mit deinen verdammten Fragen und Theorien und deiner Verwicklung in einen Serienmord die ganze Sache wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen lassen! Und jetzt willst du auch noch Luke Ferrys zersetzten Leichnam wieder ausgraben, damit es die ganze Stadt in der Zeitung lesen kann? Ich sage dir, das wird nicht geschehen. Solange es nicht Teil einer offiziellen Untersuchung wegen des Verdachts eines Verbrechens ist, brauchst du die Zustimmung deiner Mutter, um diese Leiche auszugraben.«
    Mom duckt sich fast, als er in ihre Richtung sieht, und ich weiß, dass sie mir nicht geben wird, was ich brauche. Trotzdem ducke ich mich nicht. Nie wieder werde ich mich vor Großvater ducken. Ich trete ihm einen Schritt entgegen. »Dann schätze ich, dass ich eben eine offizielle Untersuchung daraus machen muss. Ich wollte es eigentlich vermeiden, aber du lässt mir keine andere Wahl. Ich werde die Natchez Police rufen, und ich ziehe auch noch das fbi hinein, verlass dich drauf. Ich werde Malmaison in einen großen Zirkus verwandeln, falls nötig, um die Wahrheit herauszufinden!«
    »Die Wahrheit? «, echot Großvater. »Du glaubst, du bist hinter der Wahrheit her?«
    »Das ist alles, was ich je gesucht habe! Aber du, du hast mir nichts als Lügen aufgetischt. Jede neue Geschichte war eine weitere Lüge, um mich daran zu hindern, tiefer zu graben. Wovor hast du Angst, Großvater? Was versuchst du vor uns allen zu verbergen? Was könnten wir über dich herausfinden, das du nicht ertragen kannst?«
    Er sieht erneut zu meiner Mutter, dann senkt er den Blickzu Boden. Als er schließlich den Kopf wieder hebt, scheinen seine Augen zu brennen. »Nicht ich bin es, den ich zu beschützen versucht habe, sondern du! Ich habe darum gebetet, dass du den Grund dieses verdammten Geheimnisses, das zu lösen du so versessen bist, niemals würdest erfahren müssen, und ich habe alles unternommen, um es vor dir zu verbergen. Aber du willst nicht nachgeben. Du willst eher dieses Haus und diese Familie in den Abgrund stürzen, alles, was ich geschaffen habe, um zu bekommen, was du willst. Das hast du bewiesen. Also schön … du willst die Wahrheit?«
    In meinem Hinterkopf hat ein eigenartiges Trommeln eingesetzt. Doch jetzt gibt es kein Zurück mehr. »Das will ich.«
    »Du willst wissen, wer deinen Vater getötet hat?«
    »Ja.«
    »Du selbst hast es getan.«
    Das Geräusch des prasselnden Regens ist so lebendig, dass ich die Hände vors Gesicht schlage. Meine Mutter und Großvater sind plötzlich verschwommen, als stünden sie unter Wasser. Ich will etwas sagen, doch ich habe keine Worte mehr. Jedes kleine Stückchen des chaotischen Puzzles meines Lebens ist plötzlich an seinen Platz gefallen. Der lange, schwarze Zug, der in der glänzenden Küche von Arthur LeGendre lautlos über mich hinweggedonnert ist, hat seine Rundreise beendet und ist wieder da. Die mächtige schwarze Front der Lokomotive kommt aus dem Nichts und überdeckt die Szene vor mir: Menschen, Gras, Bäume und Himmel. Im letzten Augenblick vor dem Aufprall jagen brennende Bilder vor meinem geistigen Auge vorüber. Die Mordopfer von New Orleans, nackt und verstümmelt. Nathan Malik tot in einer Motelbadewanne, einen menschlichen Schädel im Schoß. Ann auf dem Boden der Klinik, mit den Totenschädeln auf dem Bauch und ihrem Stofftier neben sich. Doch keines von all diesen Bildern zeigt das Gesicht meines Vaters. Ich versuche es heraufzubeschwören, doch alles, was ich sehe, ist ein Halsband mit verschrumpelten schwarzen Ohren, die

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