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Bist du mein Kind? (German Edition)

Bist du mein Kind? (German Edition)

Titel: Bist du mein Kind? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilda Laske
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Zoo.“
    Er hat ja Recht, es ist August und die Schule hat gerade wieder begonnen. Im 9. Schuljahr ist es durchaus üblich, dass fast 15jährige an Austauschprogrammen teilnehmen. Aber ausgerechnet Frankreich? Und dann noch die Atlantikküste? Ich hätte keine ruhige Minute, wenn ich meinen ältesten Sohn, der mich inzwischen um 4 Zentimeter überragt, dorthin ließe.
    Aber wie soll er verstehen, dass ich entsetzliche Ängste ausstehe, wenn ich nicht weiß, wo er ist. Er hat schon zu kämpfen, damit er so aufwachsen kann, wie seine Freunde. Hier weiß niemand, was uns passiert ist.
    Es ist vorgekommen, dass wir den ein oder anderen darüber informiert haben, wenn unser Verhalten allzu unverständlich erschien. Aber im Großen und Ganzen ist unser Schicksal hier unbekannt.
    Das macht vieles einfacher, aber auch wieder schwieriger, weil manche Leute uns für verschroben halten. Aber letztendlich müssen wir mit unserem Leben klar kommen.

    Aber nun? Nach Frankreich? Ausgerechnet Frankreich? Nein, geht nicht.

    „Großer, versteh‘ mich bitte, es geht nicht. Dein Bruder ist in Frankreich verschwunden. Ich kann dich nicht alleine dahin lassen. Niemand von uns wird jemals wieder einen Fuß auf französischen Boden setzen. Bitte, Schatz, es geht nicht.“

    Wenn ich da schon gewusst hätte, wie sehr ich mich irre, wäre dieses Gespräch anders verlaufen.

    Leon sieht mir meinen Kummer wohl an und lenkt ein:
    „Ach Mama, ich verstehe dich ja. Aber ich würde so gerne auch mal ein anderes Land mit meinen Freunden besuchen. Nach England durfte ich auch schon nicht mit. Ich weiß, da war ich erst zwölf. Ich weiß, ich weiß.“
    Er ist immer so vernünftig. Ganz anders als seine Freunde. Deren Mütter beklagen sich oft über die Pubertät und wie schwierig ihre Kinder sind. Ich kann da leider nicht mitreden, da Leon alles unter den Tisch fallen lässt, was mir irgendwie Probleme bereitet.

    Wir alle haben einen Schaden davongetragen, der sich auf verschiedenste Weise äußert. Jeder von uns hat seine Macken.

    Leon ist älter und reifer, als seine Freunde, wird aber von Ticks beherrscht, die mal stärker und mal schwächer ausgeprägt sind. So wie jetzt, wenn er sehr aufgeregt ist, knackt er mit seinen Fingergelenken. Das tut er ohnehin den ganzen Tag, aber im Moment kann er gar nicht aufhören. Ich lasse ihn, weil ich weiß, wie er innerlich kämpft.
    „Ist schon gut. Reden wir nicht mehr drüber. Ich sag in der Schule Bescheid.“
    „Nein Schatz, lass mal, ich rufe Frau Dietmar an und erkläre ihr, warum es nicht geht. Okay?“
    „Ja, mach mal.“

    Er geht in sein Zimmer und ich bleibe ratlos zurück. Ich bin erleichtert und gleichzeitig bedrückt, weil ich einfach meine Kinder nicht „normal“ aufwachsen lassen kann.

    Timo ist inzwischen fast zehn und versucht immer wieder, mit dem Fahrrad seinen Freund zu besuchen, der ungefähr zwei Kilometer entfernt wohnt. Ich habe das noch nie erlaubt. Stattdessen packe ich sein Fahrrad in den Kofferraum und fahre ihn dorthin. Die Mutter seines Freundes lacht immer und hält mich für eine „Überglucke“. Auch sie weiß nichts.

    Wir haben seit damals kaum mehr woanders Urlaub gemacht als in Deutschland.
    Zwischendurch waren wir in Italien, aber es war keine Erholung für uns. Ständig haben Wolfgang und ich in Lauerstellung gelegen, wenn die Kinder am Strand mal ein paar Schritte weggegangen sind. Sofort waren die alten Ängste wieder da.
    Und deshalb fährt Leon nicht nach Frankreich. Punkt.
    Am nächsten Abend rufe ich Frau Dietmar, Leons Klassenlehrerin und gleichzeitig Französischlehrerin an. Sie hat sich schon gewundert, dass Leon nicht mit darf. Zumal er in Französisch sehr gut ist und sie von beiden Kinder bereits gehört hat, dass ich so gerne andere Sprachen lerne.
    „Ich habe gedacht, dass Sie einen solchen Austausch unterstützen, damit Ihre Kinder die Sprachkenntnisse vertiefen Können. Sprechen Sie nicht auch Französisch? Ich meine, dass Leon mal so etwas gesagt hat.“
    „Grundsätzlich haben Sie Recht, Frau Dietmar. Aber es gibt einen einzigen Grund. Und den werden Sie sofort verstehen: Vor fast 9 Jahren haben mein Mann und ich mit unseren DREI Kindern in Frankreich Urlaub gemacht. Unser mittlerer Sohn, Maxi, ist in Frankreich entführt worden und seitdem verschwunden. Ich hasse dieses Land. Und ich werde Leon nicht alleine dorthin lassen. Nicht in diesem Leben und in keinem anderen.“
    Stille am anderen Ende der Leitung. Keine Reaktion.
    „Hallo

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