Bist du mein Kind? (German Edition)
fürstlich bezahlt. Wenn du da versuchst, reinzukommen und Einsicht in die Bücher zu verlangen, spielst du mit deinem Leben. Aber wir sind da auch dran. Es ist halt schwierig. Hier in Frankreich kämen wir besser an die Heime heran“.
Mir ist schwindelig, so schwindelig, dass ich mich irgendwo anlehnen muss. An Jean-Marie.
„Halt mich, sonst falle ich um. Ich kann nicht mehr“.
Er schlingt seine Arme um mich und stützt mich.
So stehen wir eine ganze Weile. Der Nebel in meinem Kopf verzieht sich langsam. Aber ich wollte ja keine Medikamente mehr. Also, durchhalten.
„Willst du damit sagen, dass die Kinder dieses Grauen eventuell überleben und dann in solche schrecklichen Heime abgeschoben werden, um dann dort zu sterben? Bitte, bitte sag nein“.
„Das kann ich nicht, aber vielleicht täusche ich mich auch. Vielleicht, aber das kann ich auch nicht sagen.“
„Du kannst nicht sagen, dass es besser wäre, diese Schlächter brächten sie um? Kannst du das nicht sagen? Ich kann das nicht denken. Oh mein Gott, hilf mir!“
„Wenn es den gäbe, wären die Kinder noch bei ihren Eltern, glaub mir“, stößt er zwischen den Zähnen hervor.
So bleiben wir stehen. Ich versuche, die Gedanken zu verdrängen, wegzuschieben. Versuche so zu tun, als hätte Jean-Marie mir nichts erzählt. Aber das geht nicht. Es ist in meinem Kopf, das Geschwür, das sich ausbreitet und mich verzweifeln lässt.
Ich reiße die Augen auf und sehe nur schöne Dinge um mich herum. Warum ist es nicht schwarz? Ich bin in einem tiefen Loch, meine Welt ist schwarz. Warum scheint die Sonne, zwitschern die Vögel, weht ein warmer Wind, riecht es gut und fühlt sich so friedlich an?
Terror und Grausamkeit beherrschen meine Familie, es kann nicht schön sein um mich herum. Also schließe ich meine Augen wieder. Ich lehne immer noch in seinen Armen. An seiner Brust. Ich fühle sein Herz schlagen und rieche ihn. Warum habe ich solche Gefühle für einen Mann, den ich kaum kenne? In so einer Situation? Aber wahrscheinlich genau deshalb. Wenn alles normal wäre, hätte ich ein bisschen mit ihm geflirtet und in die Schublade „charmanter Franzose“ gelegt. Aber jetzt stehe ich hier und umarme ihn und schmiege mich an ihn.
Wo, verdammt nochmal ist Wolfgang? Ich muss mit ihm über das reden, was Jean-Marie mir gesagt hat. Sofort.
Sanft lasse ich Jean-Marie los. Es fällt mir sehr schwer, denn auch er löst sich nur langsam von mir. Ich beiße die Zähne zusammen und wir marschieren zurück zu meinem Mann und meinen Kindern.
Wolfgang sitzt noch auf der Bank. Er hat sich vornüber gebeugt und die Unterarme auf die Oberschenkel gelegt. Man sieht ihm von weitem sein Elend an. Ich stürze zu ihm und umarme ihn.
„Hör zu, ich hatte eine Frage an die beiden. Ich hatte die Hoffnung, dass die Kinder „hinterher“ wieder freigelassen werden. Und irgendwie zu ihren Familien zurückkommen, aber...“
Wolfgang fällt mir ins Wort: „Das weiß ich schon. Ich wollte es dir nur nicht sagen, weil ich dachte, dass du das nicht schaffst. Wir haben keine Hoffnung, unser Kind jemals wieder zu sehen. Vergiss es“.
„Wie kannst du so etwas sagen? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir können die Heime abklappern, denk‘ doch, Florin kann uns vielleicht helfen. Er kommt doch aus Rumänien.“
Jean-Marie blickt uns fragend an.
„Wer ist Florin?“
„ Er ist der Mann meiner besten Freundin Bine. Er ist Rumäne, vielleicht kann er uns helfen.
Er hat noch Verwandte in Rumänien.“
„Ach Liebe“, antwortet Jean-Marie, „er müsste schon Kontakte in die höchsten Kreise haben, um euch helfen zu können. Unsere Kontakte gehen schon weit, aber wir haben kaum eine Chance. Dass euch euer Freund helfen kann, ist ziemlich unwahrscheinlich.“
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber hier ist doch noch Hoffnung, vielleicht kann ja Florins Cousin, der ist ein hohes Tier an irgendeiner Uni in Rumänien. Vielleicht. Wir werden noch heute anrufen. Ich schaue die beiden Männer an. Sie sind so unterschiedlich und doch bedeuten mir beide so viel. Aber jetzt will ich nicht darüber nachdenken. Ich fühle mich etwas besser, weil ich meine, etwas unternehmen zu können.
Mein Weg in die Scheune wird abrupt gestoppt, weil Jean-Marie mich festhält.
„Warte, warte. Was ist, wenn die Kinder in Tschechien landen? Kennst du auch einen Tschechen, der dir helfen kann? Verrenne dich nicht. Es funktioniert nicht.“
Wolfgang nickt, als wolle er Jean-Maries Worte bestätigen. Gerade
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