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Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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ist wohl Kamerafrau oder Regisseurin oder so etwas beim Fernsehen, erzählte Jerkov immer wieder stolz.«
    »Und welche Facette der Migrantenkinder spiegelt Zoran?«
    »Zoran …«
    Gründel blickte gedankenverloren aus dem vergitterten Fenster seines Büros, als könnte er die Antwort auf die Frage nur jenseits der hohen Gefängnismauern finden.
    »Tja. Unser Zoran. Das mittlere der drei Jerkov-Kinder. Eine Figur wie aus einer klassischen antiken Tragödie. Geboren 1970 in Vukovar, aufgewachsen im Eigelstein-Viertel, gleich hinter dem Kölner Hauptbahnhof. Auf der falschen Seite der Gleise, wie die Amerikaner in solchen Situationen zu sagen pflegen. Ein Wanderer zwischen den Welten, und in keiner Welt wurde er je richtig heimisch. Vorzeitig abgebrochene Schulausbildung, vorzeitig abgebrochene Lehre. Drogen und Kleinkriminalität. Mit 14 gründete er seine eigene Bande, mit 16 befehligte er bereits eine kleine Armee aus Migrantenkindern. Türken, Marokkaner, jeder war willkommen. Sofern er sich bedingungslos Zorans Befehlen und seinem Führungsanspruch unterordnete. Einbrüche, Autodiebstähle, Raubüberfälle. Die Eigelstein-Gang war damals berüchtigt in Köln. Ich erinnere mich gut. Die Kölner Eigelstein-Gang machte bald bundesweit Schlagzeilen, und die Polizei startete schließlich eine Großoffensive. Nur zwei Jahre später war die Eigelstein-Gang Geschichte. Die Mitglieder, fast alle noch minderjährig, landeten entweder vor Gericht oder waren von ihren Familien gerade noch rechtzeitig zurück in ihre Heimatländer bugsiert worden. Nur Zoran Jerkov konnte man nie etwas nachweisen. Mit 21 ging er dann zurück nach Kroatien, als dort der Bürgerkrieg ausbrach. Er blieb wohl auch nach Ende des Bürgerkriegs noch eine Weile dort und kehrte erst mit 27 zurück nach Köln … als sein Vater im Sterben lag. Ich habe allerdings keine Ahnung, was er anschließend in Köln trieb … also in den Monaten bis zu seiner Verhaftung.«
    »Er vermittelte talentierte kroatische Nachwuchsspieler an westeuropäische Basketball-Clubs. Gleich nach Kriegsende fing er damit an, zunächst noch von Kroatien aus.«
    »Stimmt. Wo Sie es sagen. Das erwähnte er.«
    Dr. Wilhelm Gründel studierte aufmerksam ihr Gesicht, als hoffte er, dort frische Erkenntnisse über seinen einstigen Schachpartner entdecken zu können. Kristina Gleisberg schwieg. Weil sie sehr genau wusste, was Zoran Jerkov sonst noch getrieben hatte in jener Zeit. Sie wusste, dass er unter dem Deckmantel seiner Agentur gute Umsätze mit dem Vertrieb von Kokain an die Reichen, Schönen und Prominenten der Stadt erzielt hatte. Aber sie war nicht gewillt, dies ausgerechnet einem psychiatrischen Gutachter auf die Nase zu binden.
    »Haben Sie noch weitere Fragen an mich, Frau Gleisberg? Die Arbeit ruft. War übrigens nett, mit Ihnen zu plaudern.«
    »Ja. Ich meine, nein, ich habe keine weiteren Fragen mehr. Oder vielleicht doch … eine letzte Frage: Was, glauben Sie, Herr Doktor, wird Zoran Jerkov jetzt tun?«
    »Ich zitiere noch einmal Jerkovs Lieblingsautor Jack London: Das Leben ist nichts weiter als ein Gärungsprozess von der Geburt bis zum Tod. Frau Gleisberg, er hat Ihnen und den anderen Journalisten bei seinem großen Auftritt doch bereits verraten, was er zu tun gedenkt: Er wird Rache üben. Da bin ich ganz sicher.«
    David Manthey verließ das Präsidium, ging zu Fuß bis zum Deutzer Bahnhof, stieg dort in ein Taxi und ließ sich zum Flughafen fahren. Als der Wagen vor dem Terminal 2 stoppte, öffnete David die Reisetasche, kramte in dem braunen Umschlag, bezahlte den Taxifahrer, gab ihm außerdem ein sattes Trinkgeld, das der so schnell nicht vergessen würde, und stopfte die restlichen Banknoten in die Hosentasche.
    Air Berlin hatte einen freien Platz in der nächsten Maschine nach Ibiza. Der Flug ging in knapp zwei Stunden. David Manthey kaufte sich den Kölner Stadt-Anzeiger und die Süddeutsche. Er suchte sich ein Café vor der Sicherheitsschleuse und öffnete den Umschlag erneut. Er schaute sich nicht um, denn er wusste auch so, dass er unter Beobachtung stand. Er überflog kurz das rechtswissenschaftliche Gutachten über sein Buch und warf es demonstrativ in den Müllbehälter des Putzmanns, der in diesem Augenblick seinen Tisch passierte.
    Dann nahm sich David Manthey das Dossier über Zoran Jerkov vor. Als er damit fertig war, las er es ein zweites Mal und machte sich Notizen. Schließlich stopfte er es zurück in den Umschlag, sah auf die Uhr und traf eine

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