Bitter Love
überhaupt mit Cole und mir stand. Am Montag danach war er in der Schule gewesen, und obwohl er selbst auch ziemlich lädiert wirkte, tat er, als wäre zwischen uns überhaupt nichts passiert. Er hatte mir immer wieder Rosen aufs Auto gelegt und Kärtchen, in denen er mich seine Emily Dickinson nannte und mich um Verzeihung bat. So wie immer.
Aber jetzt … jedes Mal, wenn er mich anfasste, bekam ich eine Gänsehaut. Jeder Satz von ihm ging mir gegen den Strich. Und ich hatte Angst vor ihm. Trotzdem hatte ich ihn nicht verlassen. Ich wusste im Augenblick einfach nicht, wie.
»Ich weiß nicht«, sagte ich zu Dad und stierte aus dem Autofenster auf die Bäume, die draußen vorbeirauschten. Als wir beim Überlaufbecken vorbeifuhren, verkrampftesich mein Magen. Wenn wir doch bloß zurückkönnten in diese traumhafte Zeit am Anfang, dachte ich. Wenn ich doch nur zurückbekommen könnte, was ich schon so lange vermisste. Und bevor mir klar wurde, was ich tat, war der Satz schon aus mir herausgeplatzt: »Dad, warum ist Mom weggegangen?«
Zuerst hatte er gar nichts gesagt, sondern nur starr geradeaus geschaut, mit den Händen am Lenkrad. Schweigen, wie immer. Keine Antwort, nur … Schweigen. Ich rieb mir die Stirn und wartete, rechnete dabei aber mit nichts anderem als mit noch mehr Schweigen.
Als wir schon fast bei der Zahnarztpraxis waren, sagte Dad zu meiner Überraschung: »Sie hat sich auf einen Typen eingelassen, der behauptet hat, er wäre ein spiritueller Heiler.« Unwillig schüttelte er den Kopf und lachte hämisch. »In Wirklichkeit war er nur ein Blackjack-Dealer ohne Job. Aber sie hat ihm geglaubt.«
Ich setzte mich gerade. »Sie hatte eine Affäre?« Meine Finger waren kalt, ich begriff das nicht.
Doch Dad schüttelte den Kopf, bog auf den Parkplatz ein und fuhr den Wagen in eine Lücke. »Nein«, sagte er. »Es war keine Affäre.« Er behielt den Schlüsselbund im Schoß und warf ihn immer wieder ein kleines Stück in die Höhe. »Alex«, meinte er seufzend, »du bist schon immer diejenige gewesen, die sie am meisten vermisst hat. Du musst das verstehen: Sie war krank. Geisteskrank. Und an dem Abend, an dem sie gegangen ist, war sie außerdem noch betrunken. Es war einfach ein Unfall, ein tragischer, schlimmer Unfall.«
Er öffnete die Tür und stieg aus, doch ich blieb wie festgewachsen sitzen. Das ergab alles keinen Sinn. Washatte Mom von einem spirituellen Heiler gewollt? Wenn die beiden nichts miteinander gehabt hatten, in was für einer Beziehung hatten sie dann gestanden? Und warum hatte Mom alles aufs Spiel gesetzt, um mit diesem Mann zusammen zu sein? Ich wollte Dad noch so viel fragen, aber wie er da hinter dem Auto stand und sich die Schlüssel in die Hosentasche stopfte, war mir klar, dass das Gespräch für ihn beendet war.
Das alles wollte ich Bethany und Zack erzählen. Ich wollte wissen, ob sie vielleicht mehr damit anfangen konnten als ich. Ob sie irgendwelche Schlüsse daraus ziehen würden. Doch nach allem, was passiert war, lernte ich gerade erst wieder, mit meinen besten Freunden zu reden. Ich war mir nicht mehr sicher, was sie interessierte. Ich wusste nicht mal, ob sie noch nach Colorado wollten. Jedenfalls mit mir.
»Tja, ich finde, er sieht gut aus«, sagte Bethany über meinen Zahn und holte mich aus meinen Gedanken zurück. »Schlag ihn dir bloß nicht noch mal aus. Stell dir vor, was dein Dad sagen würde, wenn er zweimal für ihn zahlen müsste.«
Ich ließ den Spiegel wieder in meine Tasche fallen und zog mit Schwung den Reißverschluss zu. »Bitte, Bethany. Fang nicht damit an. Ich weiß, was du denkst, aber es ist wirklich nur wegen meiner Jacke passiert. Wenn das nicht gewesen wäre, hätte ich mich abfangen können. Ich war selbst schuld, echt.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ich weiß. Ich hab doch bloß gesagt, ich hoffe, du schlägst dir den Zahn nicht noch mal aus, das ist alles. Eine Menge Leute sterben jedes Jahr durch irgendwelche Stürze. Ich will nurnicht, dass du in diese Statistik gerätst.« Sie musste gar nicht deutlicher werden, ich verstand auch so, was sie meinte. Wenn ich gesagt hätte, ich könnte fliegen, wäre das für sie auch nicht weniger glaubwürdig gewesen als die Sache mit dem Sturz.
Als ein Pärchen an uns vorbeiwollte, um zu den Plätzen ein Stück weiter in der Reihe zu kommen, standen wir auf.
»Mit mir ist alles in Ordnung«, sagte ich, während wir uns wieder setzten. »Wieso gebt ihr nicht einfach Ruhe?«
Sie hob
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