Bitter Süsse Tode
an, das Gesicht unbewegt, die Augen wieder hinter der Sonnenbrille verborgen.
Er hatte sich in den Sitz gelümmelt, ein Bein angezogen und gegen die Tür gedrückt, das andere weit abgespreizt und untergeschlagen. »Nehmen Sie die Siebzigste nach Westen.« Er klang rau, fast heiser.
Es gibt diesen Moment, wo man mit einem Mann allein ist und einem ganz plötzlich beides bewusst wird. Zu zweit allein, das birgt einige Möglichkeiten. Man spürt beinahe schmerzhaft die Gegenwart des anderen. Das kann zu Unbeholfenheit führen, oder zu Sex oder zu Angst, je nach Mann und Situation.
Also, wir hatten keinen Sex, darauf können Sie wetten. Ich sah ihn an, und er saß mir noch immer zugewandt, seine Lippen waren leicht geöffnet. Er hatte die Sonnenbrille abgenommen. Seine Augen waren sehr braun und sehr verschlossen. Was zum Teufel war los?
Wir waren auf dem Highway und fuhren schnell. Ich konzentrierte mich auf die anderen Autos um mich herum, aufs Fahren und versuchte, ihn zu ignorieren. Aber ich spürte seinen Blick auf meiner Haut lasten. Es fühlte sich beinahe warm an.
Er begann auf mich zuzurutschen. Plötzlich hörte ich das Schaben von Leder auf Polster überdeutlich. Ein erregendes, animalisches Geräusch. Sein Arm legte sich um meine Schultern, sein Oberkörper lehnte sich in meine Richtung.
»Was tun Sie da Ihrer Meinung nach, Philip?«
»Was stört Sie?« Er hauchte mir in den Nacken. »Ist Ihnen das nicht aggressiv genug?«
Ich lachte; ich konnte nicht anders. Er versteifte sich. »Ich wollte Sie nicht kränken, Philip. Ich hatte heute Abend nur nicht mit Netz und Leder gerechnet.«
Er blieb so nahe, drängend, warm, die Stimme fremd und rau. »Was mögen Sie denn?«
Ich wollte sein Gesicht sehen, aber er war zu nah. Plötzlich blickte ich aus zwei Zentimeter Abstand in seine Augen. Seine Nähe durchlief mich wie ein Elektroschock. Ich wandte mich der Straße zu. »Rutschen Sie auf Ihre Seite, Philip.«
»Was macht Sie«, flüsterte er in mein Ohr, »an?«
Es reichte mir. »Wie alt waren Sie, als Valentine Sie zum ersten Mal überfallen hat?«
Ein Ruck ging durch seinen ganzen Körper, und er flitzte in seine Ecke. »Zum Teufel mit Ihnen!« Es klang, als ob er es ernst meinte.
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Philip. Sie brauchen meine Fragen nicht zu beantworten und ich nicht Ihre.«
»Wann haben Sie Valentine gesehen? Wird er heute Abend da sein? Sie haben mir versprochen, dass er nicht da sein würde.« Es kam erstickt und atemlos. Er hörte sich reichlich panisch an. Ich hatte noch nie so unmittelbare Furcht gehört.
Ich wollte seine Angst nicht sehen. Ich würde vielleicht anfangen, ihn zu bemitleiden, und das konnte ich mir nicht leisten. Anita Blake, unbarmherzig, selbstsicher, unbeeindruckt von weinenden Männern. Genau. »Ich habe mit Valentine nicht über Sie gesprochen, Philip, das schwöre ich.«
»Woher...« Er hielt inne, und ich sah ihn an. Er hatte die Brille wieder aufgesetzt. Er sah dahinter sehr verschlossen und still aus. Zerbrechlich. Sein Image war ruiniert.
Ich konnte es nicht aushalten. »Woher ich weiß, was er Ihnen angetan hat?«
Er nickte.
»Ich habe Geld dafür bezahlt, um etwas über Sie herauszufinden. Die Sache wurde angeschnitten. Ich musste wissen, ob ich Ihnen trauen kann.«
»Können Sie?«
»Ich weiß es noch nicht«, sagte ich.
Er holte ein paarmal tief Luft. Die ersten Male waren zittrig, aber dann wurde jeder Atemzug kräftiger, bis er die Beherrschung schließlich wiederhatte, fürs Erste. Ich dachte an Rebecca Miles und ihre kleinen, ausgehungerten Hände.
»Sie können mir trauen, Anita. Ich würde Sie nicht verraten. Bestimmt nicht.« Er klang verloren, ein kleiner Junge, der seiner Illusionen beraubt wurde.
Ich konnte nicht über dieses verlorene Kind hinwegtrampeln. Aber ich wusste und er wusste, dass er für die Vampire alles tun würde, was sie verlangten, alles, einschließlich mich zu verraten. Eine Brücke stieg über dem Highway auf, ein hohes Gitterwerk aus grauem Metall. Bäume säumten die Straße zu beiden Seiten. Der Sommerhimmel war wässrig blau, von der Hitze und der strahlenden Sommersonne ausgebleicht. Der Wagen fuhr mit einem Ruck auf die Brücke, und der Missouri streckte sich nach beiden Seiten aus. Über dem schwappenden Wasser wirkte die Luft klar und fern. Eine Taube flatterte auf die Brücke und ließ sich neben den anderen nieder, die über der Brücke ihr Gefieder spreizten und gurrten.
Ich hatte schon Möwen
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