Bitterer Chianti
den Chef der Mordkommission sprechen.» Frank legte den braunen Umschlag vor dem Carabiniere auf dem Tisch ab, um sich das Hemd in die Hose zu stecken. «Commissario Rionero leitet doch noch den Fall Palermo?»
«Was geht Sie das an? Außerdem ist er nicht da. Was wollen Sie von ihm?» Der Carabiniere streckte die Hand nach dem Umschlag aus.
«Das geht nun wieder Sie nichts an, eine persönliche Angelegenheit. He, liegen lassen!» Frank zog den Umschlag blitzschnell zurück.
Der Carabiniere griff ins Leere. «Gehen Sie zu ihm nach Hause. Für Ihre Privatangelegenheiten ist hier nicht der richtige Ort», sagte er wütend.
Frank war es satt, sich mit diesem grünen Jungen auseinander zu setzen. Hatte er noch immer einen Rochus wegen der Tochter des Hotelbesitzers auf ihn, oder war er neidisch? Was stellte er sich unter dem Leben eines Fotografen vor? Dass er sich beim Filmball in Venedig mit einem Glas Champagner in der Hand herumtrieb? Wenn der wüsste, wie die Wirklichkeit aussah ...
Eine Tür öffnete sich, eine Frau trat in den Korridor des Kommissariats von Castellina, und in diesem Moment hörte Frank Rioneros Stimme.
«Also ist er doch da! Was erzählen Sie mir für Unsinn?», blaffte er den Carabiniere an.
«Was ist da draußen los?», rief der Chef der Mordkommission. «Kann man denn hier nie in Ruhe arbeiten?»
«Ein Mann», sagte die Frau, «dieser Deutsche, ich glaube, er will zu Ihnen, Commissario.»
«Dann soll er herkommen, porca miseria.»
«Sie haben es gehört, lassen Sie mich durch», sagte Frank wütend zu dem Carabiniere, der widerwillig zur Seite trat.
Rionero zu fragen, wie es ihm ging, war überflüssig. Er sah schlechter aus als letzten Sonntag: müde, abgearbeitet und blasser als jeder Kellermeister, den Frank zu Gesicht bekommen hatte. Er machte nicht den Eindruck, als sei er im Fall Palermo vorangekommen.
«Wir treten auf der Stelle», brummte er, nahm die Brille ab, putzte sie mit dem Oberhemd und verzog angeekelt das Gesicht. «Wir finden kein Motiv. Wir haben auch Sie überprüft. Nein, keine Sorge, alles in Ordnung. Wir sollten noch einmal auf den Nachmittag zurückkommen, als Sie bei Palermo waren. Diese beiden Männer, die Sie zusammengeschlagen haben, ich bin geneigt, Ihnen zu glauben. Sie können sie nicht beschreiben?»
«Doch.»
«So plötzlich?»
«Einen von beiden habe ich seitdem zweimal wiedergesehen, gestern und gerade eben, im Gilli in Florenz. Das Café kennen Sie bestimmt.»
Rionero sah Frank aus schwarz geränderten Augen an und kroch fast über die Schreibtischplatte auf ihn zu. Erst jetzt bemerkte er seine langen Wimpern, die so dicht waren, dass sie an einen Lidstrich erinnerten und ihm beinahe das Aussehen eines ägyptischen Pharaos gaben.
«Ich habe Ihnen sogar ein Foto mitgebracht.»
«Ich suche mich krank nach irgendwelchen Tätern, und Sie spazieren hier rein und haben sogar Fotos? Da non credere?»
Frank genoss die Überraschung, es war eine Genugtuung nach der üblen Behandlung vonseiten des Commissario. «Die Aufnahmen stammen von gestern. Und bei den Fotos, die ich heute gemacht habe, weiß ich noch nicht genau, ob sie was geworden sind, ich habe sie aus der Hüfte heraus gemacht. Da schneidet man jemandem leicht den Kopf ab ...»
«Wenn‘s weiter nichts ist – los, los, zeigen Sie her!» Rionero fuchtelte mit der Hand über der Schreibtischplatte herum und stieß den randvollen Aschenbecher vom Schreibtisch. Es kümmerte ihn nicht. « Sbrigati , schnell, die Bilder, her damit!»
Er ging zur Tür und riss sie auf: «Ich will jetzt nicht gestört ... Was machen Sie denn hier?», entfuhr es ihm, als er die Gestalt links neben der Tür im dunklen Flur bemerkte. «An die Arbeit», fuhr er den Carabiniere an, «oder haben Sie nichts zu tun?»
Er knallte die Tür zu. «Wäre ich nur in Florenz geblieben», sagte er wütend, mehr zu sich selbst als zu Frank. «Hier weiß man nicht mal, wem man trauen kann. Übrigens, Ihr Freund, der Commissario, ist wieder im Dienst. Er wird Freunde in Florenz haben, Protektion ... So, nun zeigen Sie endlich die Bilder.»
Frank gab sie ihm, und Rionero betrachte sie eine Weile.
«Ich kann Ihnen das nicht verübeln, der Mann ist wirklich kaum zu beschreiben.» Er kniff die Augen zusammen, setzte die Brille auf und wieder ab. «Kontaktabzüge? Haben Sie eine Lupe? Nichts habe ich hier, gerade mal ein Telefon. Selbst Bleistifte sind knapp, das reinste Entwicklungsland. Wenn es um einen Politiker ginge, dann
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