Bitterer Jasmin
Fluchtweg war frei.
Keuchend vor Anstrengung rannte Eileen, so schnell sie konnte, zum Haupttor hinunter. Brachte dann den Schlüssel beinahe nicht ins Schloß. Endlich drehte er sich, das Tor ging weit auf. Sie lehnte sich an eine der Stützen. Durch die wenige Bewegung in den letzten Wochen war sie ganz schwach, die Beine zitterten ihr. Draußen lag die Straße. Sie brauchte nur hinauszugehen und war frei. Darum hatte Peters sie hergeschickt. Er würde zurückbleiben und Resnais und Madeleine aufhalten, während sie flüchtete. Sein Auftrag, hier auf ihn zu warten, war nur eine Finte gewesen, um sie wegzubringen, denn er wußte, daß sie nicht mehr zurück konnte, wenn das Feuergefecht begann, sie mußte sich dann retten. Eileen zögerte, sah noch einmal zur Garage zurück. Es war niemand dort, sie hörte auch nichts. ›Sturer Irenschädel‹ hatte er gesagt. Das war das einzige, woran sie dachte, als sie zurücklief. Als sie die Garage erreicht hatte, kam Madeleine gerade um die Ecke. Resnais und die Libanesin hatten getrennt gesucht. Sie trug ihre Waffe schussbereit, war aber nicht ganz konzentriert. Ihrer Ansicht nach mußten Peters und die Frau sich im Haus versteckt haben. Resnais meinte, daß sie vielleicht die Felsen hinuntergeklettert und weggeschwommen seien, aber Madeleine verneinte das. Es war zu anstrengend gegen die hereinströmende Flut. Und eine so schwache Person wie Eileen Field würde das nicht einmal versuchen. Als Eileen derart knapp vor ihr auftauchte, war sie daher völlig unvorbereitet und schrie ihr erst etwas zu, ehe sie, ohne genau zu zielen, ein paar Schüsse abfeuerte. Eileen verschwand in der Garage, Madeleine eilte ihr nach. Sie hatte keine Chance mehr, ein zweites Mal abzudrücken. Einige Schüsse aus Peters Browning trafen sie in der Brust, sie wurde nach hinten geworfen, ihre Pistole flog in die Büsche. Ein einziger Aufschrei, dann lag sie ganz still da, spürte nichts als Schmerz und metallischen Blutgeschmack. Sie wußte, daß Peters sie erschossen hatte, und flüsterte im Sterben noch seinen Namen.
Resnais pirschte in einiger Entfernung von der anderen Seite des Hauses heran, als die Schießerei begann. Als er Madeleine liegen sah, blieb er starr stehen. Peters war also in der Garage. Nach vorne oder hinten konnte er jetzt nicht mehr, ohne an der offenen Garagentür vorbeizugehen, es sei denn, er kletterte zum ersten Stock. Von innen kam er an die Waffenkammer und konnte sich Granaten holen; dann wurde Peters Platz zur Todesfalle.
***
Die Interpol in Nizza war erst kürzlich wegen des Überhandnehmens algerischer Krimineller verstärkt worden – mehrere Raubüberfälle und ein mißglückter Entführungsversuch an einem deutschen Millionär innerhalb drei Monaten. Die Begüterten und Einflussreichen schrien auf, auch die Gendarmerie wurde über ihr Normalsoll verstärkt. Die nahen Vororte mußten für die reichen Bewohner friedlich bleiben, aber auch für die Touristen, von denen diese Orte lebten. Ardalans Telex beunruhigte das ganze Polizeihauptquartier. Allein die Vorstellung, daß eine arabische Terroraktion in der Gegend stattfand, mobilisierte den Präfekten. Die Polizei bekam sofort dringenden Auftrag, alle eventuellen Unruhestifter herauszufischen und zu deportieren. Falls die entführte Frau in der Umgebung von Nizza festgehalten wurde, würde man sie bestimmt finden. Es gab viele Algerier und Araber unter dem Hotelpersonal sowie im Baugewerbe. Eine Liste dieser Leute befand sich bereits bei der Polizei, die stets auf dem laufenden war über alle Fremden aus diesen Ländern; der algerische Millionär stand auch darauf. Während eine Patrouille sich in der Morgendämmerung in die ärmeren Viertel begab, wurde ein Wagen zur Villa hinaufgeschickt, mehr als Geste als zu einer ernsthaften Untersuchung. Ardalan wurde inzwischen über Telex informiert, daß keine verdächtigen Umtriebe bemerkt worden seien, sich aber viele Araber in der Gegend befänden, und durchaus die Möglichkeit bestünde, daß eine Europäerin von ihnen gefangen gehalten würde. Man gab die Nachricht an Logan Field weiter. Er war gezwungen worden, einen Privatjet zu nehmen, da Janet und James darauf bestanden, mit ihm zu fliegen. Ein ungemütlicher, unruhiger Flug. James hatte sich abseits von den beiden gesetzt. Janet tat ihm leid – zu seiner eigenen Überraschung. Vorher hatte er gemeint, daß sie nichts aufregen könne, aber das stimmte wohl nicht. Ihr war hundeelend zumute, und ihre
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