Bitterer Jasmin
Entführung genauso ruhig aufgenommen hatte? Sie nahm den Sexroman zur Hand, er öffnete sich bei einer vielgelesenen Stelle wie von selbst. Das Buch würde sie bestimmt nicht lesen. Sie dachte an den Augenblick, als Peters sie vom Fenster zu sich gezogen hatte. In der Art, wie er sie hielt, war irgend etwas. Das hatte sie instinktiv gefühlt und sich dagegen aufgelehnt, und auch er ließ sie schnell wieder los. Offenbar war es unabsichtlich geschehen. Sie versuchte, die Erinnerung zu verdrängen, denn sie ängstigte und verstörte sie. Die Gefahr, in der sie sich befand, erweiterte sich damit noch um eine Dimension. Er bewegte sich so leise und schien doch ungemein kräftig zu sein, jederzeit sprungbereit. Bei der Entführung hatte sie seine ungute, gnadenlose Seite kennen gelernt. Es war unrealistisch, das zu vergessen, nur weil er jetzt ein bißchen Menschlichkeit bewiesen und ihr Bücher gebracht hatte. Was da zwischen ihnen während des kurzen körperlichen Kontakts aufgeflammt war, mußte vergessen und begraben werden. Sie mußte an Logan denken, sicher sein, daß er sie retten würde. Er würde nicht mit ihrem Leben spielen, nicht endlose Verhandlungen mit organisierten Terroristen führen. Sie durfte nicht an ihm zweifeln, den Glauben nicht verlieren. Eileen nahm das Reisebuch zur Hand und begann zu lesen.
***
An diesem Abend brachte ihr der Algerier das Essen, Peters sah sie erst nach drei Tagen wieder.
Warum er Madeleine mitbrachte, erklärte er nicht. Er schien es nicht für nötig zu halten. Er sperrte auf, Madeleine spazierte einfach herein. Eileen saß gerade auf dem steifen Stuhl. Sie wechselte immer vom Bett zum Stuhl, versuchte zu lesen, döste manchmal nur in der Hitze. Wenn es kühl war, vor allem frühmorgens, ging sie in dem schmalen Raum auf und ab und versuchte sogar Gymnastik zu betreiben. Als Eileen die Libanesin sah, stand sie auf.
»Na?« höhnte Madeleine. »Die sieht ja ganz normal aus.« Sie wandte sich aggressiv an Peters. »Von wegen nichts essen! Der fehlt doch nichts!« Sie sah Eileen gehässig an. Wahrscheinlich hatte sie gehofft, sie geduckt und verzweifelt vorzufinden, und wurde von der Verachtung und Beherrschtheit, die die Gefangene zeigte, doppelt getroffen.
»Warum sind Sie hierher gekommen?« fragte Eileen. »Bleiben Sie draußen, mit Ihnen will ich nichts zu tun haben!«
»Halten Sie den Mund!« schrie Madeleine. Sie drehte sich empört zu Peters um. »Muß ich mir das vielleicht gefallen lassen?«
Es war ihm lästig. Szenen zwischen zwei feindseligen Frauen würde er nicht gestatten. Eigentlich hatte er mehr Selbstbeherrschung von Madeleine erwartet.
»Ihr seid beide still!« befahl er.
Eileen sah ihn an. »Diese Person wollte mein Kind töten; solange sie hier ist, gehe ich ins Badezimmer.«
Madeleine vertrat ihr mit einem Schritt den Weg. »Sie tun jetzt, was man Ihnen befiehlt«, zischte sie, »oder es passiert was.«
Die Libanesin öffnete und schloß die Hände. Sie war zum Sprung gespannt, wollte zum Schlag ausholen. Eileen wandte sich um und ging zum Stuhl zurück. Dann fragte sie Peters: »Was wollen Sie?«
»Sie wollten Kleider«, sagte er. »Madeleine, Herrgott noch mal – benimm dich nicht wie eine keifende Basarverkäuferin!«
»Was fällt dir ein?« schrie sie ihn auf arabisch an. »Hast du nicht gehört, wie sie mich beleidigt hat?« Sie wandte sich an Eileen. »Vergessen Sie eines nicht: Ihr Mann hat es gar nicht eilig, Sie freizukriegen. Vielleicht will er Sie gar nicht zurückhaben. Wenn wir das sicher wissen, werde ich hier wieder erscheinen und Resnais zuschauen, wie er seine Aufgabe erledigt. Was damit gemeint ist, können Sie sich ja wohl vorstellen.« Sie legte den Kopf zurück und lachte. »Dann werden wir ja sehen, wie stolz Sie sind.«
Peters packte sie so fest beim Arm, daß es ihr weh tat. »Geh runter! Los, raus hier! Wir sprechen uns später.« Er schob sie nach draußen, sie schlug die Tür zu. Anschließend legte er Zettel und Bleistift auf die Kommode. »Schreiben Sie auf, was Sie brauchen. Nur das Nötigste. Ich kümmere mich dann darum, daß sie es besorgt. Beachten Sie ihre dummen Reden gar nicht.«
»Er hat sich also noch nicht gemeldet«, sagte Eileen. »Jetzt bin ich schon vierzehn Tage hier.«
»Ich habe doch schon gesagt, Sie sollen nicht auf sie hören. Sie hasst Sie und redet deswegen solchen Blödsinn daher.«
Sie blickte ihn an. »Ist der Franzose der Henker?«
»Los, stellen Sie die Liste zusammen!« schrie
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