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Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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die Fingernägel in die Brust. »Aber wer«, schrie sie und schluchzte, »wer befreit uns von unserer Schuld?«
    Der Comandante schien ihre Attacke gar nicht zu spüren. Er nahm Tilde in die Arme und hielt sie ganz fest, als hätte er Angst, sie für immer zu verlieren. Sie ließ diese Umarmung zu, verzweifelt, am Ende. Sie sagte kein Wort. Worte sind nichts als fauler Zauber. Sie haben keinen anderen Sinn und Zweck, als sich selbst und andere an der Nase herumzuführen. Mit Blut besudelt, wie der Käse, das Öl und der teure Wein von Dolores. Bezahlt mit dem Leben unschuldiger Menschen, die sie an Maestri und seine Schergen verkauft hatte. Wenn man nur die richtigen Worte fand, war es einfach, auch die schlimmste Verfehlung zu rechtfertigen. Es wäre bequem gewesen, sich in den Chor derer einzureihen, die sich damit reinzuwaschen versuchten, sie hätten keine andere Wahl gehabt. Aber |217| Tilde und Olindo wussten beide, dass sie das nicht tun würden, das hatte Iolanda nicht verdient.
    »Warum hat Hessen dich belogen?«
    Vielleicht ahnte sie die Antwort, doch es gelang ihr nicht, sie in Worte zu fassen. Sie konnte sie riechen, ein leicht fauliger Geruch, der in einem Windhauch an ihr vorüberzog. Sie vermutete, dass auch Olindo die Wahrheit geahnt hatte, als sie Maestri zum Sprechen brachten. Aber der Comandante hatte sich in einem Gewirr von Zweifeln verheddert.
    »Hessens Informationen über Maestris Tagesablauf waren zutreffend, bis auf eine Kleinigkeit. Der zweite Wagen. Ein Begleitfahrzeug, das an der Einmündung der Strandpromenade wartete. Die Schweine haben Calcagno überrascht und eiskalt abserviert.«
    »Meinst du, dass er davon gewusst hat?«
    »Der Deutsche? Er kannte unseren Plan bis ins kleinste Detail. Hätte er uns verpfiffen, hätten sie uns alle umgebracht. Deshalb bin ich ziemlich sicher, dass er nichts von dem zweiten Auto gewusst hat. Auch wenn   …«
    »Auch wenn?« Sie ließ nicht locker, wild entschlossen, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Hatte der Hauptmann Iolanda ans Messer geliefert? Hatte er ihr, Tilde, nur etwas vorgemacht?
    »…   Maestri geschworen hat, dass es immer ein Begleitfahrzeug gab.«
    »Das wird er teuer bezahlen«, zischte sie. »Weiß Biscia Bescheid?«
    »Er war beim Verhör dabei.«
    »Ist er wirklich in die Berge zurückgekehrt?«
    Grandi nickte. »Wir haben mit ihm über eine weitere Aktion gesprochen, für die er der ideale Mann ist. Biscia ist groß und blond, jeder hält ihn für einen Deutschen. Er sollte in einem Kino eine Bombe deponieren.«
    |218| »Und wie hat er reagiert?«
    »Er hat abgelehnt. Als er von der Sache mit Iolanda erfuhr, hat er entschieden, dass Biscia tot ist. Er will nicht, dass wir ihn weiter so nennen. Von jetzt an kämpft er in den Bergen unter seinem richtigen Namen.«
    »Genau wie du.«
    Olindos Miene verfinsterte sich. Sie ahnte, was nun kommen würde. Und tatsächlich fügte er nach kurzem Zögern hinzu: »Wie Calcagno.«
    Plötzlich erfasste sie eine quälende Unruhe. »Findet das Attentat trotzdem statt?«, platzte sie heraus.
    Der Comandante zwang sich zu einem Lächeln. »Ja, wir haben jemand anderen gefunden, den man in Uniform leicht mit einem deutschen Wehrmachtssoldaten verwechseln kann«, sagte er. »Nächste Woche wird es ein schönes Feuerwerk geben.«

|219| Rossoamaro
    Mehrere Tage vergingen. Der Himmel war undurchdringlich grau, wie mit Marmor überzogen, und es regnete ununterbrochen. Der Frühling hatte es schwer, auf sich aufmerksam zu machen. Die tägliche Fahrt mit der Vespa zum Krankenhaus, eingehüllt in die gelben Regenklamotten, die ich auch zum Angeln trug, hatte rituelle Züge angenommen, ein Ritus ohne religiösen Hintergrund allerdings. Ich sprach kaum ein Wort mit jemandem.
    Nach dem Treffen mit Bavastro brauchte ich Zeit, das von Gino Gehörte zu verarbeiten und meiner Gefühle Herr zu werden. Mit einer solchen Entwicklung hatte ich einfach nicht gerechnet. Jetzt war mir alles klar geworden, und der Fall schien gelöst. Ich konnte darauf warten, bis sich einer der beiden Widersacher bei mir meldete. Wer würde der Erste sein? Professor Hessen oder der Comandante?
    Der Anruf kam am Samstagmorgen. Das Läuten riss mich aus einem Traum, in dem Jasmine versuchte, auf einem alten schwarzen Fahrrad mit Weißwandreifen vor ihrem Peiniger zu fliehen. Sie fuhr einen Berg hinauf, der immer steiler wurde. Der Mann, der sie verfolgte, gewann Meter um Meter an Boden und war gerade dabei, zu ihr aufzuschließen, als es

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