bK-Gruen, Sara
in der
Hoffnung, das vertraute Ritual würde ihr Halt geben. Alles hier sah aus wie
immer und roch wie immer und war doch anders. Es war, als hätte die ganze Welt
sich um einige Grade verschoben.
Sie trat
zur Seite, Peter schloss die Tür auf und ließ Isabel vorgehen.
Ihr Blick
schweifte durchs Zimmer. Die Pflanzen waren welk, kauerten vertrocknet in
ihren Töpfen. Eine Pizzaschachtel, die Isabel am Morgen der Explosion untypischerweise
nicht weggeräumt hatte, lag noch genauso da, wie sie sie zurückgelassen hatte,
ebenso das mit Krümeln bedeckte Küchenpapier, von dem sie gegessen hatte.
Daneben stand eine Kaffeetasse, der Inhalt war verdunstet bis auf den eingetrockneten
Milchschaum. Stuart, ihr siamesischer Kampffisch, schwamm als zerfledderter
farbloser Klumpen vor der Ansaugöffnung des Wasserfilters, der sich tapfer
sprudelnd bemühte, in Gang zu bleiben.
Peter
verschwand mit der Plastiktüte im Schlafzimmer. Als er zurückkam, saß Isabel
auf der Couch.
«Soll ich
dir was bringen?», fragte er und setzte sich an die Kante des Couchtisches, um
mit ihr auf Augenhöhe zu sein. «Ein Glas Wasser?»
«Nein»,
sagte sie und wich seinem Blick aus.
«Geht's
dir einigermaßen?»
Sie war
so müde, so ausgelaugt, hatte keine Lust zu reden. Dann sah sie noch einmal auf
Stuarts Überreste, wandte sich zornig wieder ab. «Nein. Mir geht's beschissen.
Ich hatte den Fisch wirklich gern, Peter. Ich weiß, du findest das albern, aber
ich mochte ihn. Ich hatte ihn zwei Jahre. Er hat auf mich reagiert. Er kam
vorne ans Bassin, um zu sehen, was los war, jedes Mal, wenn ich ...»Sie fing an
zu weinen.
Peter sah
rasch zu dem Fisch und blickte überrascht drein.
«O
bitte», sagte sie beinahe hysterisch. «Ist dir etwa nicht aufgefallen, dass er
tot ist?»
«Ich hab
ihn gefüttert, ich schwör's.»
«Du hast
eine Leiche gefüttert. Drei Wochen lang.»
«Nicht
drei Wochen. Er war ganz lebendig bis ...» Er warf noch einen Blick auf den
kleinen Kadaver.«... vor kurzem.»
«Du hast
keine Ahnung, wann er gestorben ist, oder? Und meine Pflanzen. Weißt du was? An
denen lag mir auch was. Du schuldest mir einen Oxalis. Und eine Zimmertanne.
Und eine - verdammt, ich weiß nicht mehr, wie die hieß», sagte sie und wies mit
der Hand auf eine majestätisch tote Pflanze.
«Klar.
Natürlich. Was du willst.» Er wollte seine Hand auf ihre Schulter legen. Sie
schlug sie weg.
«Du
kapierst wirklich nichts, was?», sagte sie.
Peter
antwortete nicht. Er sah ihr in die Augen. Sie konnte sich die geistigen Klimmzüge
genau vorstellen, die er unternahm, um sich aus der Affäre zu ziehen. Gut zu
wissen, dass ihr Psychologieexamen zu etwas nütze war.
«Guck
mich nicht dauernd so an», sagte sie.
«Du bist
aufgebracht. Das ist verständlich. Du bist durch die Hölle gegangen.»
«Ach,
halt die Klappe.»
«Isabel...»
«Du hast
es mir versprochen, Peter. Du hast es versprochen!»
«Das mit
dem Fisch tut mir leid.»
«Die Affen, Peter.
Die Affen. Du hast geschworen, dass du dich
um sie kümmerst.»
Er nahm
ihre Hände und senkte die Stimme. «Hör zu. Es ist ein furchtbarer Schock, ich
weiß. Alles, wofür wir gearbeitet haben, alles, was wir erreicht haben, ist
futsch. Aber wir können nochmal von vorne anfangen.»
«Was?»,
sagte Isabel fassungslos nach einer Pause.
Seine
Stimme nahm einen verzweifelten Ton an. «Zusammen. Wir besorgen neue Affen.
Wir finden Geldgeber. Ich bin nicht glücklich darüber. Es wird nicht leicht.
Ich will dir nicht vormachen, dass es einfach wird. Ich bin achtundvierzig -
ich werde uralt sein, wenn wir wieder so weit sind, wie wir vor einem Monat
waren, und Gott weiß, wo wir Bonobo-Babys herkriegen sollen, aber du - bei dir
ist es was anderes. Du bist jung. Du kannst der Star sein. Die Fackelträgerin.»
Isabel
starrte ihn an. «Das ist doch nicht dein Ernst.»
«Doch. Warum
denn nicht? Wir teilen uns die Arbeit und die Anerkennung. Hey, dein Name wird
an erster Stelle über unseren Aufsätzen stehen.»
«Wir
können die Bonobos nicht einfach ersetzen.»
«Warum
nicht?»
«Weil sie
keine austauschbaren Versuchskaninchen sind! Wir sprechen hier von Lola, Sam,
Mbongo, Bonzi... Peter, sie sind ein Teil der Familie! Ich kenne sie seit acht
Jahren. Hast du denn keine Gefühle? Makena ist trächtig - trächtig! -, und sie
sind vermutlich jetzt in einem biomedizinischen Labor, wo ihnen weiß Gott was
angetan wird.»
«Natürlich
hab ich Gefühle. Ich bin am Boden zerstört. Aber wir müssen uns
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