Black Box: Thriller (German Edition)
von Kuwait-Stadt und al-Chafdschi.
Ihre Reportagen führten die Fakten auf, ihre Fotografien zeigten die Kosten. Sie fotografierte die US -Kasernen in Dhahran, wo bei einem SCUD -Raketenangriff achtundzwanzig Soldaten ums Leben gekommen waren. Es waren zwar keine Fotos von Leichen darunter, aber auch die qualmenden Überreste zerstörter Humvees vermittelten das Ausmaß der menschlichen Verluste. Sie fotografierte die Kriegsgefangenenlager in der saudi-arabischen Wüste, wo beständige Erschöpfung und Angst aus den Blicken der irakischen Gefangenen sprach. Ihre Kamera fing die gewaltigen Rauchwolken über den kuwaitischen Ölfeldern ein, die die irakischen Truppen auf dem Rückzug in Brand gesteckt hatten. Die bedrückendsten Bilder stammten jedoch vom Highway of Death, dem langen Konvoi feindlicher Truppen und irakischer und palästinensischer Zivilisten Ende Februar 1991 , den die alliierten Streitkräfte erbarmungslos bombardiert hatten.
Bosch war im Krieg gewesen. Sein Krieg war ein Krieg mit Schlamm und Blut und Chaos gewesen. Aber er hatte die Menschen, die sie, die er getötet hatte, aus nächster Nähe gesehen. Einige dieser Erinnerungen hatte er noch so deutlich vor Augen wie die Fotos, die jetzt auf seinem Monitor waren. Sie kamen meistens nachts, wenn er nicht schlafen konnte, oder unerwartet, wenn irgendein Alltagseindruck ein Bild aus den Dschungeln und unterirdischen Gängen heraufbeschwor, in denen er gewesen war. Er kannte den Krieg aus erster Hand, und er fand, Anneke Jespersens Texte und Bilder schilderten ihn authentischer und glaubhafter, als er ihn je aus Sicht eines Journalisten vermittelt bekommen hatte.
Nach dem Waffenstillstand war Jespersen nicht sofort nach Hause zurückgekehrt. Sie blieb noch mehrere Monate in der Region und berichtete über die Flüchtlingslager und die zerstörten Dörfer sowie über die Wiederaufbaubemühungen der Alliierten, die sogenannte Operation Provide Comfort.
Wenn es möglich war, die unsichtbare Person hinter der Kamera und dem Text kennenzulernen, dann mittels dieser Nachkriegsberichte und -bilder. Jespersen suchte die Mütter und Kinder auf und diejenigen, denen der Krieg am meisten genommen und den größten Schaden zugefügt hatte. Mochten es auch nur Texte und Bilder sein, schilderten sie in ihrer Kombination dennoch die menschlichen Aspekte und die Kosten eines Hightech-Krieges und seiner Folgen.
Vielleicht lag es an der Untermalung mit Art Peppers berührendem Saxophon; jedenfalls hatte Bosch das Gefühl, Anneke Jespersen näherzukommen, als er die Reportagen mühsam übersetzte und las und die Fotos ansah. Es war, als streckte sie mit ihren Arbeiten über die vergangenen zwanzig Jahre hinweg die Hand nach ihm aus und zupfte an ihm, und das stärkte seine Entschlossenheit. Vor zwanzig Jahren hatte er sich nur bei ihr entschuldigt. Jetzt versprach er ihr etwas. Er würde herausfinden, wer ihr alles genommen hatte.
Die letzte Station auf Boschs virtueller Tour durch Anneke Jespersens Leben und Arbeit war die Website, die ihr Bruder zu ihrem Gedenken eingerichtet hatte. Um auf die Seite zu kommen, musste er sich mit seiner E-Mail-Adresse registrieren, das digitale Äquivalent zu einer Unterschrift in einem Kondolenzbuch. Die Website war in zwei Bereiche unterteilt: Fotos, die Jespersen selbst gemacht hatte, und Fotos, die andere von ihr gemacht hatten.
Viele der Aufnahmen im ersten Teil stammten aus den Reportagen, die sich Bosch gerade angesehen hatte. Es waren zahlreiche zusätzliche Fotos dabei, und einige davon fand Bosch besser als die für die Veröffentlichung ausgewählten Aufnahmen.
Der zweite Teil war mehr wie ein Familienfotoalbum, mit Schnappschüssen von Anneke, die in der Zeit begannen, als sie noch ein schmächtiges kleines Mädchen mit weißblondem Haar gewesen war. Mit diesen Aufnahmen hielt sich Bosch nicht lange auf, doch dann kam er zu einer Serie von Fotos, die Anneke selbst gemacht hatte. Alle waren über mehrere Jahre hinweg vor unterschiedlichen Spiegeln aufgenommen worden. Jespersen hatte die Kamera um den Hals hängen und hielt sie beim Fotografieren auf Brusthöhe, ohne durch den Sucher zu schauen. Auf diesen Aufnahmen konnte Bosch das Vergehen der Zeit in ihrem Gesicht sehen. Sie blieb von Bild zu Bild schön, aber die sich vertiefende Lebenserfahrung war in ihren Augen deutlich zu erkennen.
Auf den letzten Fotos war es, als sähe sie Bosch an, ganz direkt und nur ihn allein. Es fiel ihm schwer, sich von ihrem Blick
Weitere Kostenlose Bücher