Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
dunkle Sonnenbrille. Er sah mich schweigend an und fuhr mit der Zunge im Mund herum. Die Haare in seinem Gesicht und auf seinem Kopf sahen aus wie braune Sprungfedern.
»Das ist der falsche Ort für so ’n Scheiß«, sagte er.
Ich ließ Jeromes Arm los und drehte mich zu dem Rocker um.
»Mach weiter«, sagte ich.
»Was weiter?«
»Sag noch was Schlaues.«
»Mann, wovon redest du?«
»Ich warte drauf, daß du mir noch mal blöd kommst.«
Seine Augen hinter den Brillengläsern konnte ich nicht sehen, aber der Mund war bewegungslos geworden und wirkte wie aufgemalt.
»Da ihn die anderen beobachteten, sagte er: »Mann, wir sind doch ’ne Familie. Bloß so kommt man hier drin über die Runden. Wer das nicht kapiert, packt’s nie.«
Ich drehte für Jerome eine Dusche auf, half ihm, das Hemd auszuziehen, und holte ihm aus meiner Zelle ein Stück Seife. Dann nahm ich meinen Blechnapf und schlug damit laut gegen die Haupttür. Es dauerte nicht lange, bis der Schließer sie öffnete. Als er kam, stand ich im »Todesstreifen«.
Sein Pferdegesicht bebte vor Wut.
»Was zum Teufel treibst du da, Robicheaux?« sagte er.
»Hier drin ist ein geistig behinderter Mann, der von den andern Sträflingen mißhandelt wird. Verlegen Sie ihn in Einzelhaft, oder sorgen Sie dafür, daß er nach Mandeville kommt.«
»Schaff deinen Arsch hinter die Linie.«
»Scheiß dich selber an.«
»Das reicht. Du kommst ins Loch«, sagte er und warf die Eisentür ins Schloß.
Ich drehte mich um und blickte in die grinsende Visage des Totalversagers, der nach dem Ausbruch eine Familie niedergemetzelt hatte. Er war splitternackt, und seine Fettwülste an Bauch und Schenkeln hingen wie Vorhänge herab. Seine Augen waren fahl und ausdruckslos, doch sein Mund war so rot wie bei einem Clown. Er zog an seiner Zigarette und sagte: »Hört sich an, als ob du mächtig fällig bist, Kumpel.«
Dann lachte er so heftig, daß ihm die Tränen über die Backen liefen.
Eine Viertelstunde später brachten sie mich in einen engen Raum, in dem sich ein Eisenverschlag mit zwei Kojen befand, der mit quadratischen Öffnungen durchlöchert und mit mehreren Lagen weißer Farbe gestrichen war, die an einigen Stellen abblätterte und in die Gefangene ihre Namen und Sprüche gekratzt hatten. Früher wurden in diesem Käfig die Männer verwahrt, die auf ihre Hinrichtung warteten, als der elektrische Stuhl samt zwei riesigen Generatoren noch unter einer Plane auf einem Tieflader von einem Bezirk zum anderen gekarrt wurde. Jetzt diente er zur Unterbringung von Unruhestiftern und als unkontrollierbar eingestuften Gefangenen. Mir wurde mitgeteilt, daß ich die nächsten fünf Tage dort verbringen würde und außer meinem Anwalt keine Besucher empfangen dürfte, daß mir nicht gestattet sei zu duschen und ich nur eine Mahlzeit pro Tag erhalten würde. Die Tageszeit konnte ich selbst entscheiden.
Am Nachmittag wollte Batist mich besuchen und wurde abgewiesen, aber ein schwarzer Kalfakter brachte mir einen Umschlag, der neben etlichen, mit Buntstift bemalten Seiten auf Alafairs Malbuch einen Brief von ihr enthielt, den sie mit Druckbuchstaben auf liniertes Papier geschrieben hatte. Die bemalten Seiten zeigten Palmen und blaues Wasser, einen Teich voller Fische und ein braunes Pferd, über dessen Kopf das Wort »Tex« stand. Der Brief lautete: Ich kann jetzt buchstabieren. Ich kann buchstabieren Ameise in der Dose. Ich kann buchstabieren Katze im Hut. Ich habe Dave lieb. Ich sage auch nicht mehr nich. Ich habe dich lieb. Alafair.
Ich hängte die Seiten aus dem Malbuch im Käfig auf, indem ich die Ränder unter die eisernen Fugen am oberen Ende der Wände preßte. Es begann zu regnen, und durchs Fenster drang feuchter Dunst herein, der auf den Gitterstäben glitzerte. Ich rollte die dünne gestreifte Matratze auf der unteren Koje auseinander und versuchte zu schlafen. Ich war unsagbar müde, wußte aber nicht, warum. Vielleicht, weil man im Gefängnis nie richtig schlafen kann. Tag und Nacht werden Eisentüren zugeschlagen, Betrunkene rütteln an den Verankerungen ihrer Zellentüren, und genervte Straßenpolizisten rächen sich, indem sie mit ihren Schlagstöcken auf den Gittern Xylophon spielen. Irgend jemand wird beim Duschen von einer ganzen Meute überfallen und vergewaltigt, und seine Schreie verlieren sich in den Dampfwolken, die über den Fliesen wabern; die Irren heulen ihre apokalyptischen Eindrücke aus den Fenstern wie Straßenköter, die den Vollmond
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