Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
stellte keine Ausnahme dar. Ernest Hemingway schrieb einmal, für ein Volk gebe es kein schlimmeres Schicksal, als einen Krieg zu verlieren. Falls einer seiner Leser dies bezweifeln sollte, braucht er nur einen der Orte aufzusuchen, an denen die Regierung der Vereinigten Staaten die Ureinwohner ihres Landes verwahrt. Alles, was sie besaßen, haben wir ihnen gestohlen, und bekommen haben sie dafür Pocken, Whiskey, Sozialhilfe, staatlich verwaltete Schulen und Gefängnisse.
Nachdem ich mir an einer heruntergekommenen Tankstelle den Weg zum Büro des Vorsitzenden für Stammesangelegenheiten hatte erklären lassen, fuhr ich an etlichen kleinen Siedlungen aus Bretterhütten vorbei, an verrosteten Autowrackteilen auf den erdigen Vorhöfen und ausgedienten Waschmaschinen auf den Veranden, an Hühnerställen, Toilettenhäuschen und Gemüsebeeten in den Hinterhöfen, wo Saatgutpackungen an Holzstöcken in den Rabatten steckten.
Der Vorsitzende für Stammesangelegenheiten war ein freundlicher Mann, der Zöpfe trug, Schmuck, eine Cowboyweste, grüngestreifte Hosen und gelbe Westernstiefel. An seiner Bürowand hing eine Urkunde, wonach er am örtlichen College ein kunsthistorisches Seminar besucht hatte. Er war höflich und ein geduldiger Zuhörer, und während ich sprach, hielt er den Blick aufmerksam auf mein Gesicht gerichtet; offensichtlich aber wollte er sich mit einem unbekannten Weißen nicht über die Angelegenheiten des American Indian Movement oder der Ölindustrie unterhalten.
»Kennen Sie einen Harry Mapes?« fragte ich.
Daraufhin veränderte sich sein Blick. Er schaute zum Fenster hinaus, wo auf der Straße drei Indianer vor einer Billardhalle ein Schwätzchen hielten. Das Neonschild über der Tür lautete einfach Pool.
»Er hat mit Verpachtungen zu tun. Manchmal hält er sich hier auf«, sagte er. »Meistens arbeitet er dann an der Grenze des Reservats.«
»Was wissen Sie sonst noch über ihn?«
Er riß die Zellophanhülle von einer billigen Zigarre mit Kirscharoma.
»Ich mache keine Geschäfte mit ihm. Da müssen Sie schon jemand anderen fragen.«
»Glauben Sie, er führt was Böses im Schilde?«
»Keine Ahnung, was er im Schilde führt.« Er lächelte, um freundlich zu wirken, und zündete seine Zigarre an.
»Er hat seinen Partner Dalton Vidrine umgebracht, unten in Louisiana.«
»Davon weiß ich nichts, Mr. Robicheaux.«
»Ich glaube, daß er auch zwei Ihrer Leute umgebracht hat.«
»Sir, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.«
»Wissen Sie etwas über zwei Mitglieder der Indianerbewegung, die verschwunden sind?«
»Nicht aus dem Reservat. Und um mich darum zu kümmern, bin ich gewählt. Um das Reservat.«
»Was meinen Sie mit ›nicht aus dem Reservate‹?«
»Ich bin nicht im AIM. In deren Angelegenheiten misch ich mich nicht ein.«
»Aber Sie haben gehört, daß jemand verschwunden ist?«
Er schaute wieder aus dem Fenster zu den Männern vor der Billardhalle und blies Zigarrenrauch durch Nase und Mund.
»Ein bißchen weiter südlich von hier, unten im Teton County. Clayton Desmarteau und sein Cousin«, sagte er. »An den Namen des Cousins kann ich mich nicht erinnern.«
»Was ist passiert?«
»Ich habe gehört, daß die beiden eines Abends nicht nach Hause gekommen sind. Aber vielleicht haben sie sich nur irgendwohin verdrückt. Das kommt vor. Reden Sie mit dem Sheriff in Teton. Reden Sie mit Claytons Mutter. Sie wohnt nicht weit vom Reservat. Warten Sie, ich zeichne Ihnen auf, wie Sie hinkommen.«
Eine halbe Stunde später lag das Reservat hinter mir, und ich fuhr einen schmalen grauen Feldweg entlang, neben dem ein Bach floß. Seidenholzbäume wuchsen am Ufer, und dann stieg der Weg steil an und führte in ein undurchdringliches Kieferndickicht. Vor mir konnte ich die Hochebene buchstäblich wie eine Sackgasse vor den Bergen enden sehen. Wie ein gewaltiger Bruch in der Landschaft ragte übergangslos eine zerklüftete Wand zum Himmel auf. Die Felswände waren rosa und von Schattenflecken durchsetzt, und die Ponderosa-Kiefern standen auf den Hochkaren so dicht, daß ich zweifelte, ob ein Bär zwischen den Stämmen hindurchkommen könnte.
Ich fand das Haus, zu dem mir der Vorsitzende den Weg gewiesen hatte. Es stand auf einem kleinen Hügel, war aus Baumstämmen und Holzstücken von ungewöhnlicher Größe gebaut und hatte ein Schindeldach sowie eine in der Mitte durchgesackte Galerie. Als Isolation hatte man Plastiktücher vor die Fensterluken genagelt, auf dem Geländer der
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