Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Meilen. Sie fahren drei Meilen und setzen dann den Wagen in den Graben. Vielleicht sind sie den Rest des Weges gelaufen und haben das Haus betreten, ohne die alte Dame aufzuwecken. Dann haben sie sich aus dem Staub gemacht, bevor sie aufsteht. Vielleicht erinnert sie sich auch nur nicht mehr dran, was los war. Vielleicht haben sie sich als Anhalter davongemacht, nachdem sie den Wagen ausgeschlachtet hatten. Glauben Sie, ein Bär hat sie gefressen?«
»Nein, ich glaube, daß Sie mir einreden wollen, was für ein verantwortungsloser Mensch Desmarteau war. Seine Mutter sagt genau das Gegenteil. Der Junge hatte den Silver Star. Was halten Sie davon?«
»Ich glaube kaum, daß wir einander verstehen. Was Sie offenbar nicht einsehen wollen, ist die Art und Weise, wie manche Leute in der Gegend hier leben. Kommen Sie mal an 'nem Samstagabend und schauen Sie sich um. Sehen Sie, wenn ein Weißer Indianer für sich arbeiten lassen will, dann stellt er sechs Mann ein, damit am nächsten Morgen wenigstens drei aufkreuzen. Sie schlitzen auf Hochzeitsfeiern ihre eigene Verwandtschaft auf, sie hängen sich in Gefängniszellen auf, sie saufen sich die Hucke voll und rasen mit Karacho in den erstbesten Eisenbahnzug. Letzten Winter hatten wir drei junge Burschen, die mit 'ner Gallone Rotweinfusel und 'ner Tube Flugzeugleim in einen Güterwaggon geklettert sind. Der Zug ging nach Kanada hoch und wurde auf ein Nebengleis dirigiert, um einen Blizzard abzuwarten. Ich hab die Angehörigen begleitet, als sie die Leichen abgeholt haben. Die kanadische Polizei hat gesagt, sie waren so hart gefroren, daß sie sie mit einem Hammer losklopfen mußten.«
Ich bat ihn, mir zu zeigen, wo Clayton Desmarteaus Wagen von der Straße abgekommen war. Er war irritiert, willigte aber ein und fuhr mich denselben Feldweg hinunter, den ich zuvor benutzt hatte. Wir kamen an der Bar vorbei, in der Desmarteau und sein Cousin zuletzt gesehen worden waren, ein großes, flaches Holzgebäude mit Neonreklamen für Grain-Belt und Great-Falls-Bier in den Fenstern; dann kurvten wir durch abgeerntete, verkrustete Felder weit die Straße hinauf, bis wir schließlich auf den Bach, die Seidenholzbäume und die steile Böschung unterhalb des Kieferndickichts stießen, die jenseits des gegenüberliegenden Ufers aufragte.
Der Deputy hielt am Straßenrand und streckte den Finger aus.
»Genau da drüben im Graben«, sagte er. »Er muß mit einem Rad weggerutscht sein, und schon lag er drin. Die Achse ist gebrochen wie ein morsches Stück Holz. Nichts Rätselhaftes, mein Freund. So was passiert im Leben.«
Ich kehrte spät nach Missoula zurück, aber rechtzeitig, um Alafair bei ihrem Kindermädchen abzuholen, bevor sie schlafen ging. Das Kindermädchen hatte eine Besorgung zu erledigen, deshalb war Miss Regan, die Lehrerin der dritten Klasse und stellvertretende Direktorin der Schule, vorbeigekommen, um bei Alafair zu bleiben. Die beiden saßen auf der überdachten Seitenveranda, sahen fern und aßen Popcorn aus einer Schüssel. Miss Regan war ein hübsches Mädchen von Ende Zwanzig mit hellbraunem Haar und grünen Augen, und obwohl ihre Haut nach den langen Wintermonaten noch blaß war, konnte ich Sommersprossen auf ihren Schultern und unterhalb des Halses sehen.
»Schau mal, Dave«, sagte Alafair. »Miss Regan hat ein Bild von Tex gemalt, dabei hat sie ihn nich mal gesehen.«
»Sag nicht ›nich‹, kleines Kerlchen«, sagte ich.
»Hier«, sagte Alafair und hielt mir ein Blatt aus einem Zeichenblock entgegen, auf dem ein mit Pastellfarben gemalter Appaloosa zu erkennen war.
»Das war aber sehr nett von Miss Regan«, sagte ich.
»Mein Name ist Tess«, sagte sie und lächelte.
»Nun, besten Dank dafür, daß Sie auf Alafair aufgepaßt haben. War nett, Sie kennenzulernen.«
»Sie ist ein liebes kleines Mädchen. Wir hatten viel Spaß zusammen.«
»Wohnen Sie hier in der Nähe?«
»Ja, nur zwei Straßen von der Schule entfernt.«
»Na, dann hoff ich, daß wir uns wiedersehen. Danke für Ihre Hilfe. Gute Nacht.«
»Gute Nacht«, sagte sie.
Wir gingen durch die Dunkelheit nach Hause. Es war warm, und im Schein des Mondes sahen die Ahornbäume dunkel und unheimlich aus. Die Lichter auf der Brücke spiegelten sich auf dem wirbelnden Wasser des braunen Flusses.
»Alle sagen, sie ist die beste Lehrerin der Schule«, sagte Alafair.
»Ich wette, sie ist es.«
»Ich hab ihr gesagt, sie soll uns in New Iberia besuchen.«
»Das ist gut.«
»Weil sie nich ’nen Mann
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